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Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine

Titel: Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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verurteilt.
    Er ging so sorglos in das Gefängnis zurück, wie er es verlassen hatte. Doch die überwältigende Schönheit, mit der die Natur ihn bedacht hatte, diese körperliche Empfehlung , wie Montaigne sie nennt, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Alle Frauen betrauerten sein Los, und bei manchen hatte sich das Mitleid zu einem zärtlicheren Gefühl gesteigert.
    Die Tochter des Gefängniswärters zählte zu Letzteren, ohne dass er dies wusste; zwei Stunden nach Mitternacht wurde Laurents Verlies geöffnet wie das des Piero de Medici, und wie das Mädchen aus Ferrara flüsterte ihm das Mädchen aus Yssingeaux die süßen Worte zu: Non temo nulla, bentivoglio! (Fürchte nichts, ich liebe dich!)
    Diesen rettenden Engel hatte Laurent bisher nur durch die Gitterstäbe seiner Zelle gesehen, doch Herz und Sinne des Mädchens hatte er mit der ihm eigenen Anziehungskraft bezaubert.
    Wenige Worte wurden gesprochen, Ringe wurden gewechselt, und Laurent war frei. Ein Pferd wartete im Nachbardorf, wo seine Verlobte sich ihm anschließen sollte. Der Tag brach an.
    Während seiner Flucht hatte Laurent in der Morgendämmerung den Henker und seine Gehilfen das schauerliche Gerüst errichten sehen.
    Die Hinrichtung war auf zehn Uhr vormittags festgesetzt worden; man hatte sich mit dem Termin beeilt, denn am Tag nach dem Urteilsspruch war Markttag, und man wollte die Hinrichtung in Anwesenheit möglichst vieler Bauern aus den umliegenden Dörfern abhalten.
    Und als die ersten Sonnenstrahlen die fertig aufgebaute Guillotine auf dem Platz beschienen und sich herumsprach, wer der berühmte arme Sünder war, der sie besteigen sollte, dachte niemand mehr an den Markt, sondern alle Gedanken richteten sich auf die Hinrichtung.
    Unterdessen wartete Laurent im Nachbardorf voller Unruhe – nicht ob des eigenen Schicksals, sondern um derjenigen willen, die ihn gerettet hatte und die nicht kam, aufgehalten durch einen zufälligen Umstand. Laurent verlor die Geduld und erkundete zu Pferde die Gegend um Yssingeaux, wobei er sich der Ortschaft immer mehr näherte, bis er zuletzt Opfer seiner Erregung wurde, die sich nicht mehr zügeln ließ, und jede Vorsicht über Bord
warf: Er glaubte, diejenige, auf die er vergeblich wartete, sei bei ihrer Flucht überrascht worden und müsse nun möglicherweise als seine Komplizin die Strafe erleiden, die für ihn bestimmt gewesen war. Er reitet in die Stadt, treibt sein Pferd zum Galopp an, vorbei an den Menschengruppen und unter den erstaunten Ausrufen all derer, die den Gefangenen, dessen Guillotinierung sie beizuwohnen gedacht hatten, frei und zu Pferde sehen, kreuzt die Gendarmen, die ihn aus dem Gefängnis holen wollten, erreicht den Platz mit der wartenden Guillotine, macht die Gesuchte ausfindig, bahnt sich einen Weg zu ihr, hebt sie unter den Achseln hoch, wirft sie hinter sich auf das Pferd und verschwindet im Galopp unter dem Beifall all jener, die sich versammelt hatten, um seine Enthauptung zu beklatschen, und nun stattdessen seine Flucht und seine Rettung beklatschen.
    So war unser Anführer, so war der Nachfolger meines Bruders, so war der Mann, unter dem ich das Waffenhandwerk erlernte.
    Drei Monate lang führte ich dieses aufregende Leben, schlief im Mantel, das Gewehr in der Hand, die Pistolen im Gürtel. Dann verbreitete sich das Gerücht von einem Waffenstillstand. Ich kam nach Paris, nachdem ich versprochen hatte, bei der ersten Aufforderung zu meinen Gefährten zurückzukehren. Ich hatte Sie gesehen – verzeihen Sie, dass ich mir dieses Geständnis erlaube – und musste Sie wiedersehen.
    Ich sah Sie wieder; und falls Ihr Blick zufällig auf mir verharrt haben sollte, entsinnen Sie sich gewiss meiner tiefen Traurigkeit und meiner Gleichgültigkeit oder beinahe Abneigung gegenüber allen Freuden und Vergnügungen.
    Wie hätte ich in meiner unsicheren Lage, in der ich nicht dem eigenen Gewissen folgte, sondern einer schicksalhaften, absoluten, unausweichlichen Bestimmung, in der ich jederzeit bei einem Überfall auf eine Eilpost getötet oder verwundet werden konnte oder, schlimmer noch, gefangen genommen – wie hätte ich mich in dieser Lage erdreisten können, zu einem stillen und sanften jungen Mädchen, einer Blume jener Welt, in der sie erblüht und deren Gesetze sie befolgt, zu einem solchen Mädchen zu sagen: ›Ich liebe Sie, wollen Sie einen Ehemann, der sich selbst für vogelfrei erklärt hat und für den das größte Glück darin bestünde, kaltblütig mit einem Gewehrschuss

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