Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
getötet zu werden?‹
Nein, ich begnügte mich damit, Sie zu sehen, mich an Ihrem Anblick zu berauschen, mich überall dort einzufinden, wo Sie anzutreffen waren, Gott anzuflehen, den Waffenstillstand in einen Frieden zu verwandeln, ohne zu hoffen, dass er ein solches Wunder wirken würde!
Vor wenigen Tagen nun kündeten die Zeitungen von Cadoudals Ankunft in Paris und von seiner Unterredung mit dem Ersten Konsul; am selben Abend hieß es in denselben Zeitungen, der bretonische General habe sein Wort gegeben, nicht mehr gegen Frankreich zu kämpfen, wenn der Erste Konsul seinerseits nicht mehr gegen die Bretagne und ihn kämpfen werde.
Und am Tag darauf« – Hector holte ein Blatt Papier aus der Tasche – »am Tag darauf erhielt ich diesen Rundbrief von Cadoudals eigener Hand:
Da ein fortwährender Krieg mir Frankreich ins Unglück zu stürzen und mein Land zu zerstören schien, entbinde ich Euch von dem Treueschwur, den Ihr geleistet habt und auf den ich mich nur dann erneut berufen würde, wenn die französische Regierung das Wort bräche, das sie mir gegeben hat und das ich in Eurem Namen wie in meinem Namen angenommen habe.
Sollte sich hinter einem geheuchelten Frieden Verrat verbergen, würde ich abermals an Eure Treue appellieren, und auf Eure Treue, das weiß ich mit Gewissheit, wäre Verlass.
GEORGES CADOUDAL
Stellen Sie sich meine Freude vor, als ich diese ersehnte Beurlaubung erhielt. Ich war wieder im Besitz meiner selbst und nicht mehr von meinem Vater und meinen Brüdern einem Königshaus verpfändet, das ich nur durch die Hingabe meiner Familie und die Unglücksfälle kannte, die diese Hingabe über uns gebracht hat. Ich war dreiundzwanzig Jahre alt, ich besaß hunderttausend Francs Rente, ich liebte! Und dürfte ich annehmen, dass meine Liebe erwidert wird, stünde mir die Paradiespforte offen, die bis dahin der Würgeengel bewacht hatte. O Claire, Claire, deshalb sah ich so fröhlich aus auf dem Ball der Madame de Permon. Ich konnte Sie um dieses Gespräch bitten; ich konnte Ihnen gestehen, dass ich Sie liebe.«
Claire senkte den Blick und schwieg. Das war fast eine Antwort.
»Alles, was ich Ihnen soeben erzählt habe«, fuhr Hector fort, »ist über unsere Gegend hinaus nicht bekannt; in Paris weiß niemand davon. Ich hätte es Ihnen verschweigen können, doch das wollte ich nicht. Ich wollte Ihnen mein ganzes Leben erzählen, Ihnen erklären, welche Schicksalsfügung mich dazu gebracht hat, Ihnen endlich alles zu sagen und auf einen
Freispruch aus Ihrem Mund zu hoffen, falls ich mich eines Vergehens oder gar eines Verbrechens schuldig gemacht haben sollte.«
»Oh, mein teurer Hector!«, rief Claire, überwältigt von der stummen Leidenschaft, die sie seit fast einem Jahr beherrschte. »O ja, ich verzeihe Ihnen, ich spreche Sie frei...«, und vergessend, dass ihre Mutter zusah: »Ich liebe Sie!«, und sie warf ihm die Arme um den Hals.
»Claire!«, rief Madame de Sourdis, weniger erzürnt als vor allem erstaunt.
»Mutter!«, erwiderte Claire errötend und vor Scham fast in den Boden versinkend.
»Claire!«, sagte Hector und ergriff ihre Hand. »Vergessen Sie nicht, dass alles, was ich sagte, nur für Ihre Ohren bestimmt war, dass es ein Geheimnis zwischen Ihnen und mir ist, dass ich von niemand anderem Vergebung erwarte, da ich niemand anderen liebe. Vergessen Sie das nie, und vergessen Sie vor allem nicht, dass ich erst dann wirklich leben werde, wenn Ihre Mutter die Frage, die ich Ihnen gestellt habe, beantwortet haben wird. Claire, Sie haben gesagt, dass Sie mich lieben, und ich stelle unser Glück unter den Schutz Ihrer Liebe.«
Und er verließ das Haus, ohne jemandem zu begegnen, so frei und fröhlich wie ein Gefangener, dem das Leben geschenkt wurde.
Madame de Sourdis erwartete ungeduldig ihre Tochter. Claires Unbesonnenheit, sich dem jungen Grafen von Sainte-Hermine in die Arme zu werfen, hatte sie aufs Höchste befremdet. Sie erwartete eine Erklärung.
Die Erklärung war kurz und unmissverständlich. Als das junge Mädchen vor seiner Mutter stand, fiel es auf die Knie und sagte nur die Worte: »Ich liebe ihn!«
Die Natur bildet unseren Charakter für die Epochen, die er zu durchleben hat. Die Epoche, die soeben durchlebt worden war, lieferte dafür ein schlagendes Beispiel; dieser angeborenen Willensstärke verdankten es Charlotte Corday und Madame Roland, dass die eine zu Marat, die andere zu Robespierre sagen konnten: » Ich hasse dich «, während Claire zu Hector
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