Der Greif
und posaune deine
Wichtigkeit hinaus - allerdings mußt du dir selbst auch glauben - und du wirst auf das freundlichste begrüßt,
ausgiebig willkommen geheißen, mit Hochachtung und
Ehrerbietung und zuvorkommendster Dienstbarkeit bedacht.
Von allem wird dir das Beste aufgedrängt werden, vom
Essen, vom Trinken, von den Frauen, den Dienern. Und du brauchst nicht einen Nummus zu bezahlen, solange du nicht willst.«
»Du übertreibst, Thiuda.«
»Nein, keineswegs. Wer reich ist, darf viel schulden und wird niemals mit Zahlungsaufforderungen belästigt. Nur kleine Leute haben kleine Schulden und müssen sie
pünktlich bedienen. Je mehr und je größere Schulden
jemand hat, und je länger sie schon offenstehen, desto größer ist die Auszeichnung, die dadurch auf den Kreditor zurückfällt. Er wäre untröstlich, wenn die Schulden beglichen würden, denn dann könnte er nicht mehr angeben, daß
dieser oder jener hochgestellte Mann bei ihm in der Schuld steht.«
»Dir haben die Wälder den Kopf verdreht, Thiuda. Sehe
ich etwa aus wie eine bedeutende Persönlichkeit?«
Er machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand.
»Reiche junge Männer sind für Ausgefallenheit in
Bekleidung und Auftreten bekannt. Die Tatsache, daß ich, dein Sklave, in einem prächtigeren Sattel als du selbst sitze, verstärkt diesen Eindruck nur noch. Ich sage dir, hör auf, dich als etwas Geringeres als ein Mitglied der Nobilität zu betrachten. Wenn ich vor dir in die Stadt einreite und in großen Worten die Ankunft meines illustren jungen Herrn und Meisters verkünde, dann sehen sie genau das in dir.
Danach mußt du dich nur noch arrogant, herrisch und
hochfahrend aufführen und so den Erwartungen der Leute an eine hochgestellte Persönlichkeit entsprechen. Khaire!
Das wirst du wahrhaftig sein.«
Zuguterletzt erwies sich sein Enthusiasmus als
unwiderstehlich. Und so kam es, daß wir einige Tage später durch das Stadttor nach Vindobona einritten und ich, träge im Sattel hängend und die schönen Häuser und fein
gekleideten Bewohner der Stadt keines Blickes würdigend, angestrengt versuchte, nicht lauthals loszulachen. Thiuda ritt ein Stück vor mir, wedelte mit den Armen und schrie, sich in seinem Sattel hierhin und dorthin wendend, abwechselnd in der alten Sprache und in Latein, ja selbst in Griechisch:
»Platz! Macht Platz für Thornareichs, meinen edlen Herren, der von weit her nach Vindobona kommt, um hier ein wenig Zeit und viel Gold zu verschwenden. Platz dem
hochgeborenen Thornareichs, der kommt, um Vindobona mit seiner erhabenen Gegenwart zu ehren. Platz, ihr gemeines Volk, dem Thornareichs, und gebietet ihm Hails!«
Alle, ob zu Fuß, zu Pferd oder in Sänften sitzend, hielten inne, reckten die Hälse und starrten mich an. Und als ich, ihr Interesse hochmütig ignorierend, an ihnen vorbeiritt,
verneigten sich alle Köpfe vor mir.
2
Vindobona hat sich, wie Basilia, um eine der römischen Grenzgarnisonen herum entwickelt. Aber Vindobona ist sehr viel größer, geschäftiger und bedeutender als Basilia.
Mehrere römische Straßen kommen hier zusammen, und sie liegt am meistbefahrenen Wasserweg des Imperiums, der
breiten, braunen und raschen Donau.
Thiuda hatte mit seinen lauten Lobpreisungen auf mich
und meinen Reichtum erst angefangen, als wir die Vorstädte und Außenbezirke Vindobonas hinter uns gelassen hatten und die eigentliche Stadt betraten. Während er Phrasen drosch, ich endlose Langeweile vorschützte und das Volk auf der Straße sich verwundert, aber ehrfürchtig verbeugte, ritten wir eine breite Allee hinunter, an deren Ende die hohen Palisaden der Garnison sichtbar waren. Nach einiger Zeit stellte Thiuda seine Lobpreisungen ein und verlangte
lauthals: »Sagt mir, Volk! Sagt mir, welches die
vorzüglichste, luxuriöseste und teuerste Herberge der Stadt ist! Denn mein prinzlicher Fräuja wird nur in der feinsten Herberge absteigen!«
Aus der Menge schallten uns unterschiedliche Namen
entgegen, aber die meisten schienen sich einig, daß die
»Herberge von Amalrich dem Knödeldicken« unseren
Ansprüchen am ehesten genügen würde.
Thiuda wies auf einen der umstehenden Männer und
befahl ihm: »Führe uns dorthin.« Dann zeigte er auf einen anderen Mann, der die Herberge ebenfalls empfohlen hatte:
»Und du, guter Mann, eile voraus und verkünde Amalrich dem Knödeldicken unsere Ankunft. Das sollte ihm, seiner Familie und den Bediensteten genügend Zeit geben, sich vor dem Tor zu versammeln,
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