Der Greif
gezweifelt? Ich werde sofort Männer losschicken, um einen Baum zu fällen, der uns als Rammbock dienen wird. Lauf du inzwischen zu Ansila und sage ihm, er soll sich einige Männer suchen, die ihm dabei helfen können, noch mehr
von diesen Dingern herzustellen. Der Schmied hingegen soll zuerst deine Rüstung fertigstellen, denn du wirst sicher unter den ersten sein wollen, die die Stadt betreten, wenn deine raffinierte Erfindung funktioniert. In diesem Fall wirst du Helm, Harnisch und Schild brauchen. Habäi ita swe!«
Das war der erste direkte Befehl, den Theoderich mir als König und Oberbefehlshaber gab, jedoch sollte ich den
gebieterischen Schlußsatz »So sei es!«, mit dem er auch jeden Befehl und jede Verordnung unterschrieb, noch oft aus seinem Munde hören.
3
Als ich wieder in der Schmiede eintraf, war der Wachmann Ansila bereits dabei, die Anweisungen Theoderichs
pflichtbewußt auszuführen. Er überwachte mehrere Gehilfen des Schmieds beim Zuschneiden, Zurechtbiegen und Löten der Haferkornbehälter. Während der Schmiedemeister sich wieder an die mehr Sorgfalt erfordernde Arbeit an meinem Helm machte, sagte Ansila zu mir: »Laß uns sehen, was du sonst noch brauchst. Zeig mir dein Schwert.« Ich zog es aus der Scheide, und der Waffenmeister schniefte verächtlich, als er sah, daß es sich um ein ganz gewöhnliches römisches Schwert handelte. »Hast du jemals mit dem Ding da
gekämpft oder getötet?« fragte er.
»Ja, ein einziges Mal, und ich war dabei sehr erfolgreich.«
Ich erzählte ihm nicht, daß der einzige Mensch, der meinem Schwert bis jetzt zum Opfer gefallen war, eine alte,
unbewaffnete Hunnenfrau gewesen war.
Er grunzte. »Am besten, du behältst es noch für diesen Kampf. Natürlich wirst du bald eines der gotischen Krumm-Schwerter haben wollen, aber das Gewicht, die Länge und der Griff eines solchen Schwertes müssen genau auf dein eigenes Gewicht, deine Armlänge, deine Handgröße und
deinen Kampfstil abgestimmt werden. Benutze also vorerst noch einmal das Schwert, das du gewohnt bist, auch wenn es minderwertig ist. Und nimm einen dieser Schilde. Sie werden nicht nach Maß gefertigt, sondern sind alle gleich.«
An einem Dachbalken waren mehrere Schilde eng
übereinander in einer Reihe aufgehängt. Einen davon nahm ich herunter. Es war kein großer, schwerer, rechteckiger, römischer Langschild, der den ganzen Körper des Kriegers hinter sich verbergen und schützen sollte, sondern er war rund und bestand, abgesehen vom mittleren Schildbuckel und der eisernen Einfassung, aus dichtem
Weidenflechtwerk. Er war auch nicht größer als ein
Korbdeckel, da er nur dazu bestimmt war, die Hiebe des Feindes abzuwehren oder seine Geschosse abzufangen. Ich umfaßte den Handgriff hinter der von dem Eisenbuckel
gebildeten Mulde und fuchtelte ein wenig mit dem Schild herum, um ein Gefühl dafür zu bekommen.
»Nun«, fuhr der Wachmann fort, »du wirst auch eine
ganze Weile warten müssen, bis du deinen eigenen,
maßgefertigten Harnisch bekommst, da seine Herstellung sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Das schwere Leder wird zuerst gekocht, dann wird es sorgfältig nach der Form
deines Rumpfes modelliert, solange es noch weich ist;
anschließend wird es in seine endgültige Form geklopft, und zum Schluß wird es dann heiß getrocknet, bis es fast so hart ist wie Eisen. Für die bevorstehende Schlacht brauchst du jedoch irgendeinen Harnisch. Dort in der Ecke liegen ein paar Ersatzharnische. Such dir den aus, der dir am besten paßt.«
Ich sah sofort, warum er sie nur als Ersatzharnische
bezeichnete. Alle waren stark abgenutzt; viele von ihnen waren zerschnitten, mit Löchern durchbohrt oder vom Feuer versengt, und einige waren immer noch mit dem Blut ihrer ehemaligen Träger befleckt. Ich bemerkte auch, daß die Harnische nicht nur dem Körper des jeweiligen Kriegers angepaßt worden waren, sondern daß man zusätzlich noch die Schulterbreite, den Brustkorb sowie die Bauchund
Rückenmuskulatur auf kunstvolle Weise herausgearbeitet hatte. Es war sehr leicht, aus dem Haufen weggeworfener Harnische den passendsten heauszusuchen. Ich war noch
viel kleiner und schmäler als selbst der kleinste aller erwachsenen Goten, die ich bis jetzt gesehen hatte, daher nahm ich mir einfach den allerkleinsten Harnisch - der so klein gar nicht war - und Ansila half mir dabei, die Vorder-und Rückenteile hochzuhalten, während ich die
Lederriemen, mit denen sie zusammengehalten wurden, auf beiden Seiten
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