Der Greif
bereits ein wenig ermüdet oder vielleicht war es auch das heilsame Lachen, das du mir entlockt hast.« Sie lachte erneut. »Trotzdem würde ich mich jetzt gerne etwas ausruhen. Costula wird dir zeigen, wo du wohnen wirst, und auch deine Sachen dorthin bringen lassen. Ich sehe dich beim Abendessen wieder.«
Also verließen der alte Costula und ich zusammen den
Raum. Als wir draußen waren, fragte ich ihn: »Ist dieser Lekeis, der die Prinzessin behandelt, womöglich ein
Schamane, ein Sterndeuter, oder sonst so ein
Quacksalber?«
»Nein, durchaus nicht. Der Lekeis Frithila würde Euch
vergiften, wenn er Euch so reden hörte. Er ist ein sehr gelehrter und erfahrener Mann, der zu Recht den römischen Titel Arzt verdient. Würde eine königliche Familie etwa einen Quacksalber zu Rate ziehen?«
»Das will ich nicht hoffen. Bringt mich zu diesem Frithila.
Ich muß zuerst seine Erlaubnis einholen, bevor die
Prinzessin mit Euch zusammen weitere Reisevorbereitungen trifft.«
»Das ist wahr. Wir werden sofort zu Frithila gehen. Laßt mich nur zuerst nach einer Sänfte rufen, Saio Thorn, denn für meine alten Füße ist der Weg zum Lekeis ziemlich weit.«
Durch mehrere Straßen und um mehrere Ecken gelangten
wir zu einem ansehnlichen Wohnhaus. Im bereits vollen
Wartezimmer saßen ausschließlich Frauen und kleine
Kinder. Ich wartete ebenfalls dort, während Costula in einem anderen Zimmer verschwand. Aus diesem kam kurze Zeit
später eine Frau heraus, die ihre Kleider zurechtzupfte.
Costula streckte seinen Kopf durch die offene Tür und nickte mir zu.
»Nun?« bellte der Lekeis, als ich den Raum betrat. Er war beinahe so alt wie der Fauragagga, hatte jedoch wachere Augen und eine energischere Art. »Warum wünscht Ihr mich so dringend zu sprechen? Ihr seht völlig gesund aus.«
»Es ist der Gesundheitszustand von Prinzessin
Amalamena, über den ich mich erkundigen möchte.«
»Dann könnt Ihr sofort wieder gehen. Ich bin an meine
Schweigepflicht gebunden und darf nur mit einem
beratenden Arzt über das Befinden eines Patienten
sprechen.«
»Habt Ihr dem Lekeis denn nicht gesagt, wer ich bin?«
fragte ich Costula.
»Doch, er hat es mir gesagt«, sagte Frithila, »aber ich würde nicht einmal dem Oberbischof von...«
Ich schlug laut mit der Faust auf den Tisch, hinter dem er stand. »Ich werde mich kurz fassen. Die Prinzessin möchte mich nach Konstantinopel begleiten, wo ich eine Mission zu erfüllen habe.«
Mein Verhalten schien ihn ein klein wenig aus der Fassung gebracht zu haben, dennoch zuckte er nur mit den Schultern und sagte: »Wie schön für Euch, junger Mann. Ich sehe
keinen Grund, warum sie das nicht tun sollte.«
»Versteht mich richtig, Lekeis Frithila. Ich bin nicht nur der Marschall des Königs, sondern auch sein Freund, und ich wage es nicht, seine Schwester auf eine so lange Reise mitzunehmen, wenn Ihr mir nicht versichern könnt, daß sie diese auch überleben wird.«
Der Arzt strich sich nachdenklich über den Bart und
schaute mich dabei mit zusammengekniffenen Augen an.
Nach einer Weile wandte er sich an Costula und sagte:
»Laßt uns bitte allein.« Als der Höfling den Raum verlassen hatte, schaute mich Frithila nochmals prüfend an und fragte schließlich: »Sprecht Ihr ein wenig Griechisch oder Latein?«
Ich bejahte. »Sehr gut. Selbst Euch als Laie dürfte bereits aufgefallen sein, daß die Prinzessin ganz offensichtlich unter einem Marasmus, unter einer Kakochymie sowie unter einer Kachexie leidet.« ich blinzelte. Noch nie hatte ich irgend jemanden in irgendeiner Sprache von diesen Dingen
sprechen hören; ich hätte auch nicht sagen können, ob
diese Begriffe auf eine bestimmte Person Strafen oder nicht; jedenfalls hörte sich das, was der Lekeis sagte, für mich so an, als ob Amalamena noch kränker sei, als sie mir
vorgekommen war. »Mir fiel nur auf, Lekeis«, sagte ich »daß sie sehr schmal und blaß ist und daß sie sehr schnell müde wird.«
»Ja«, sagte er hastig, »genau das habe ich soeben
gesagt. Sie sieht aus, als sei sie schlecht ernährt, als seien ihre Körpersäfte vergiftet, kurz: als sei ihr
Gesundheitszustand insgesamt sehr schlecht. Als ich sie zum ersten Mal so sah, bestand ich darauf sie zu
untersuchen, obwohl sie beteuerte, sie fühle sich so gesund wie eh und je. Wenn ein Arzt eine geschwächte weibliche Patientin vor sich hat, denkt er natürlich zuerst an
Bleichsucht, an Weißfluß oder irgendeine andere
Entzündung der
Weitere Kostenlose Bücher