Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
könnte auch ich mich um das Amt eines Marschalls bewerben. Oder gefällt es Theoderich seit neuestem, sich wie Alexander nur mit jungen Männern zu umgeben? Wenn das der Fall sein sollte, dann hat er sich seit unserem letzten Zusammentreffen sehr verändert.«
    Inzwischen war mein Gesicht wahrscheinlich rot vor Ärger, und ich sagte mit von Wut erstickter Stimme: »Prinzessin, ich wurde nur deshalb zum Marschall ernannt, weil ich
    Theoderich dabei half, die Stadt Singidunum einzunehmen.
    Andere Gründe gab es nicht.«
    Nach dieser letzten Bemerkung konnte sie sich nicht
    länger beherrschen und brach in ein langes, melodisches Lachen aus. Mit ihrer schmalen weißen Hand winkte sie matt in meine Richtung, und selbst der alte Costula begann jetzt zu kichern. Ich wäre am liebsten vor Scham im Boden
    versunken. Als ihre Heiterkeit sich schließlich legte, wischte sie sich die Tränen aus den strahlend blauen Augen und sagte in einem Ton freundlicher Belustigung: »Verzeiht mir, ich habe mich ungebührlich verhalten; aber Ihr saht so...
    so... und der Lekeis sagte mir, Lachen sei für jede Art von Krankheit die beste Medizin.«
    »Ich hoffe, daß er Recht behalten wird, Prinzessin«, sagte ich eisig.
    »Weißt du, ich finde, daß du gar nicht jung genug bist, um so mit mir zu reden, als sei ich wesentlich älter. Nenn mich ab jetzt einfach Amalamena, und ich werde dich Thorn
    nennen. Sicherlich hast du meine Scherze nicht
    ernstgenommen, denn du hast doch bestimmt den Brief
    meines Bruders gelesen.«
    »Nein, das habe ich nicht«, sagte ich immer noch sehr
    steif, »erst Euer - dein - Fauragagga hat das Siegel
    erbrochen. Du kannst ihn selbst fragen.«
    »Jedenfalls kannst du diesen Brief ruhig jeden lesen
    lassen und sehr stolz auf das sein, was mein Bruder darin über dich schreibt. Mein Bruder preist dich über alle Maßen und bezeichnet dich nicht nur als seinen Marschall, sondern als seinen Freund. Natürlich hat er viele Freunde, aber während sie nur Freunde des Königs sind, bist du der
    Freund Theoderichs.«
    Trotz ihrer warmen Worte sagte ich immer noch förmlich: Ich versuche, ihm ein vertrauenswürdiger Freund zu sein, und befinde mich im Augenblick auf einer sehr dringenden Mission, Prinzessin... ich meine, Amalamena. Wenn du mir nur bald all das zur Verfügung stellen würdest, worum dich dein Bruder meines Wissens in diesem Brief gebeten hat, dann könnte ich sofort aufbrechen und...«
    »Und ich auch«, führte sie meinen Satz fort. »Ich möchte gerne an dieser Expedition teilnehmen. Theoderich selbst hat mir in seinem Brief diesen Vorschlag gemacht.«
    »Ich glaube, als dein Bruder das schrieb, wußte er nicht, daß du... ahm...« Ich unterbrach meinen Satz, weil Costula hinter dem Stuhl der Prinzessin so nachdrücklich seinen Kopf schüttelte, daß sein langer Bart hin und her wedelte.
    »Ich will damit sagen, daß der Weg von hier nach
    Konstantinopel mir nicht vertraut ist. Es wird möglicherweise eine sehr anstrengende oder vielleicht sogar gefährliche Reise werden.«
    Ihre Grübchen verzogen sich erneut zu einem freundlichen Lächeln, als sie überredend erwiderte: »Aber ich werde doch von Thorn begleitet, der mich geleiten und beschützen wird.
    Diesem Brief nach zu urteilen, könnte ich selbst unter dem Schild Jupiters und Minervas nicht sicherer reisen. Würdest du mir die Gelegenheit geben, mich selbst davon zu
    überzeugen?«
    Anstatt mir einen entsprechenden Befehl zu geben, hatte sie mir eine Frage gestellt; sie war eine königliche
    Prinzessin, die Schwester meines Königs und Freundes und zweifellos bei ihrem Volk sehr beliebt; zudem litt sie unter einer Krankheit, über die ich noch nichts wußte, und man würde mich zur Verantwortung ziehen, wenn ihr in meiner Obhut etwas zustieße. Es gab also genug Anlaß für
    berechtigte Befürchtungen und Einwände, und ich hätte
    nicht zögern sollen, diese auch energisch zur Sprache zu Dringen, doch als ich dieses zerbrechliche und
    wunderschöne Mädchen anschaute, war mein einziger
    Gedanke: »Ach, könnte ich doch nur ein Mann sein!« Und alles, was ich noch sagen konnte, war: »Ich wäre nie
    imstande, dir eine Bitte abzuschlagen, Amalamena.«
    6
    Amalamena gab dem Fauragagga verschiedene, die
    Reisevorbereitungen betreffende Anweisungen und bat ihn darum, noch weitere Diener sowie militärische Berater in ihre Gemächer zu schicken damit sie auch diese entsprechend unterweisen könne. Dann sagte sie zu mir: »Die Vorfreude hat mich

Weitere Kostenlose Bücher