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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ihren Priestern gelegentlich eine kleine List.«
    Ich ließ mir diese Bemerkung durch den Kopf gehen und
    fragte dann: »Hat die heilige Mutter Kirche Christi Geburt dann deshalb auf den Tag gelegt, an dem auch der Gott
    Mithras geboren wurde?«
    Jetzt runzelte der Abt doch die Stirn. »Ich fürchte, ich habe dir, was die Wahl deiner Studien angeht, zuviel Freiheit gelassen, mein Junge. Diese Frage hätte ich von einem
    Heiden erwartet, nicht von einem Christen, der an die
    Lehren der Kirche glaubt. Eine dieser Lehren heißt: Was sein soll, wird sein. Was ist, soll sein, «
    »Entschuldigt mein vorlautes Benehmen, Nonnus
    Clemens«, murmelte ich demütig.
    »Was immer du über Mithras gelesen oder gehört hast, du mußt es vergessen!« sagte Dom Clemens mit etwas
    weicherer Stimme. »Der heidnische Mithraskult war schon dem Untergang geweiht, bevor das Christentum ihn
    besiegte. Er hätte nie fortbestehen können, weil er Frauen ausschloß. Um Erfolg zu haben, muß eine Religion vor allem die ansprechen, die einfach zu führen sind und die man davon überzeugen kann, daß sie den Zehnten bezahlen
    müssen, also leicht zu beeindruckende, ja sogar
    leichtgläubige Menschen - die Frauen.«
    Demütig nickte ich und wartete einen Augenblick mit
    meiner nächsten Frage. »Da ist noch etwas, Nonnus
    Clemens; es betrifft die Mahnung, die Ihr jeden Sonntag aussprecht, daß das geweihte Brot nicht von jemandem
    gegessen werden darf, der nicht katholisch ist. Meint Ihr damit fehlgeleitete Christen? Oder nur träge Christen?«
    Dom Clemens sah mich lange abwägend an, bevor er
    antwortete: »Ich meine überhaupt keine katholischen
    Christen. Ich meine Arianer.«
    Er sagte dies mit ruhiger Stimme, aber ich war zutiefst schockiert. Mein ganzes Leben hatte man mich gelehrt, den Arianismus der Goten zu hassen. Und ich hatte diesen Haß willig in mich aufgenommen, der sich nicht gegen die Goten richtete (ich war ja vermutlich selbst einer), sondern gegen ihre verdammenswerte Religion. Jetzt erfuhr ich plötzlich, daß unter uns Arianer aus Fleisch und Blut lebten.
    Dom Clemens bemerkte, wie ich erschrak. »Ich glaube, du bist alt genug für das, was ich dir jetzt sage, Thorn. Die Burgunder, zum Beispiel die Goten, sind zu einem großen Teil Arianer. Das gilt für die königlichen Brüder Gundiok in Lugdunum und Chilperich in Genava sowie deren Fürsten
    und Adlige und Höflinge und die Mehrheit ihrer Untertanen.
    Ich schätze, daß ungefähr ein Viertel der Dorfbewohner und Bauern hier in Balsan Hrinkhen Arianer sind und ein
    weiteres Viertel unverbesserliche Heiden. Dazu gehören auch viele der Bauern, die klostereigene Ländereien
    bewirtschaften und einen Teil der Ernte an unsere Abtei abführen.«
    »Und Ihr erlaubt ihnen, Arianer zu bleiben? Ihr laßt Arianer Seite an Seite mit unseren christlichen Brüdern arbeiten?«
    Dom Clemens seufzte. »Es ist eher so, daß unsere
    klösterliche Gemeinschaft und die Gemeinde der
    katholischen Gläubigen so etwas wie ein christlicher
    Vorposten in einem heidnischen Land ist. Wir können nur überleben, weil die Heiden und Arianer das zulassen. Du mußt das realistisch sehen, Thorn. Beide Herrscher über dieses Königreich sind Arianer. Ihre Verwalter, Soldaten und Steuereintreiber sind Arianer. In Lugdunum steht neben der Basilika unseres Bischofs eine zweite, viel erhabenere Kirche - und auf deren Thron sitzt ein arianischer Bischof.«
    »Sie haben also auch Bischöfe«, murmelte ich
    benommen.
    »Zum Glück wachen die Arianer nicht so genau über die
    genaue Einhaltung dessen, was sie für ihren wahren
    Glauben halten, wie wir es tun, weil wir wissen, daß unser Glaube der wahre Glaube ist. Außerdem wollen sie
    niemanden bekehren und Ungläubige nicht ausmerzen. Nur weil die Arianer anderen Glaubensrichtungen gegenüber so nachsichtig sind, können wir Katholiken hier leben, arbeiten, Gottesdienst feiern und Menschen bekehren.«
    »Ich kann es immer noch kaum glauben«, sagte ich. »Wir sind von Arianern umgeben.«
    »Es war nicht immer so. Noch vor vierzig Jahren waren die Menschen in Burgund Heiden, unschuldige Opfer ihres
    Aberglaubens. Sie wurden von arianischen Missionaren
    bekehrt, die von den Ostgoten im Osten kamen.«
    Ich war immer noch wie vor den Kopf gestoßen, aber
    meine Neugier war dadurch nicht beeinträchtigt. »Darf ich noch etwas fragen, Nonnus Clemens? Wenn es hier so viele Arianer und nur so wenige Christen gibt, könnte es dann nicht sein, daß der Gott der Arianer

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