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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nahe.«
    »Und wann wurde der Arianismus dann endgültig
    verdammt?«
    »Ungefähr fünfzig Jahre nach Arius' Tod, als in Aquileja eine Synode einberufen wurde. Nur zwei arianische Bischöfe nahmen daran teil, und sie wurden niedergeschrieen,
    beschimpft, verbannt und vom christlichen Episkopat
    ausgeschlossen. Das war der Untergang des Arianismus,
    und seit jenem Tag ist die katholische Kirche von diesem Makel der Ketzerei befreit.«
    »Aber wie wurden die Goten dann zu Arianern?«
    »Einige Zeit bevor der Bann über den Arianismus verhängt wurde, begab sich der arianische Bischof Wulfila als
    Missionar in die Wildnis zu den Westgoten. Er bekehrte sie, und sie bekehrten ihre Brüder, die Ostgoten, und diese wiederum die Burgunder und andere Barbaren.«
    »Aber es wurden doch sicher auch katholische Missionare zu den Barbaren geschickt?«
    »Natürlich. Aber du darfst nicht vergessen, daß die
    meisten germanischen Völker nur einen rohen Verstand
    haben. Sie können nicht begreifen, wie zwei göttliche Wesen wesensgleich sein sollen. Den arianischen Glauben
    dagegen, daß der Sohn dem Vater nur ähnlich ist, können die Barbaren verstehen.«
    »Und doch habt Ihr sie Christen genannt.«
    Kosmas spreizte die Finger. »Nur weil sie unbestreitbar der Lehre Christi folgen - liebe deinen Nächsten und so weiter. Aber sie beten Christus nicht an, sie beten nur zu Gott; man könnte sie genausogut Juden nennen. Zu ihren absurden Glaubensvorstellungen gehört auch, daß zwei
    oder mehr Formen des Gottesdienstes nebeneinander
    bestehen können. Also lassen sie in ihrer Dummheit andere Religionen zu - unsere eingeschlossen. Und unsere Religion wird zuletzt triumphieren, Thorn.«
    Es mag seltsam erscheinen - mir jedenfalls erschien es damals seltsam -, daß ich in unserer gesamten
    katholischchristlichen Gemeinde der einzige war, der es wagte, die Lehren, Regeln und Überzeugungen, nach denen wir lebten, in Frage zu stellen und anzuzweifeln.
    Rückblickend glaube ich heute, meine unerschöpfliche
    Neugier und kritische Infragestellung meiner Erziehung erklären zu können. Ich glaube, daß damals die weibliche Seite meines Charakters zum ersten Mal zum Vorschein
    kam. In späteren Jahren stellte ich noch oft fest, daß intelligente und gebildete Frauen oft so sind, wie ich es in meiner Jugend war: leicht verunsichert, zweifelnd und
    argwöhnisch.
    Ich wäre wahrscheinlich weiterhin über meinen Büchern
    und Handschriften gesessen und hätte eifrig meine Lehrer ausgefragt, in dem Bestreben zu erfahren, was es mit dieser Religion auf sich hatte, der ich angeblich angehörte, und wie ich die vielen Widersprüche, die ich in ihr fand, lösen konnte.
    Wahrscheinlich hätte ich ewig so weitergelebt, hätte nicht Bruder Petrus zu genau jener Zeit angefangen, mich als weiblichen Sklaven zu mißbrauchen.
    Obwohl ich stolz darauf war, daß ich mir soviel Wissen angeeignet hatte und mich sogar in der Welt etwas
    auskannte, war ich auf Petrus' Belästigungen völlig
    unvorbereitet und wußte nicht, was er mit mir tat. Ich wußte nur, daß unser Tun geheim bleiben mußte, denn das hatte Petrus gesagt. Ich muß also auch gewußt haben, daß wir etwas streng Verbotenes taten, aber ich verdrängte das aus meinem Bewußtsein. Ich dachte in anderen Dingen zwar
    sehr unabhängig und verhielt mich auch so, aber der
    Respekt vor der Autorität Älterer oder Höherstehender war mir so anerzogen worden, daß ich nie versuchte, Petrus abzuweisen.
    Außerdem schämte ich mich nach seiner ersten
    unzüchtigen Handlung so sehr, daß ich meine Schändung
    weder Dom Clemens noch sonst jemandem mitteilen wollte.
    Ich wollte andere nicht den unaussprechlichen Ekel fühlen lassen, den ich fühlte. Außerdem hatte Petrus mich
    beschuldigt, ein Betrüger zu sein, so daß ich seine Warnung, ich könnte aus dem Kloster hinausgeworfen werden, ernst nahm und schwieg.
    Als unser schmutziges Geschäft dann entdeckt und ich
    tatsächlich hinausgeworfen wurde, mußte ich zuerst noch auf Dom Clemens' traurige und mitleidsvolle, doch
    gründliche Fragen antworten.
    »Das ist für mich sehr schwierig, Thorn, meine - Tochter.
    Eigentlich nimmt Domina Aetherea vom Kloster St. Pelagia die Beichte einer Frau oder eines Mädchens entgegen. Aber jetzt muß ich dich fragen, und du mußt mir wahrheitsgemäß antworten. Warst du noch eine Jungfrau, Thorn, als diese schmutzige Geschichte begann?«
    Mir mußte wie ihm die Röte ins Gesicht gestiegen sein, aber ich versuchte

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