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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Bemerkung ihn geweckt, rührte sich der
    geschwächte Gefangene und hob den Kopf. Er sah mich
    und Daila mit seinem einen noch heilen Auge an, und dieses rote Auge richtete sich mit bösartigem Blick auf mich. Als er zu sprechen begann versprühte der Bogenschütze einen
    Schwall Blut, und seine Sprache war infolge seiner
    ausgeschlagenen Zähne und aufgesprungenen Lippen
    undeutlich.
    »Ihr! Ihr seid kein... kein Marschall... kein Krieger... nicht Thorn.« Er würgte, schluckte und versuchte erneut zu
    sprechen. »Es gibt keinen Mann Thorn.«
    »Seht Ihr?« sagte Daila. »Sinnloses Geschwätz.«
    »Keinen Thorn... und die Prinzessin hat keine weibliche...«
    An diesem Punkt hörte er abrupt zu sprechen auf, weil ich, mit einer einzigen Bewegung, mein Schwert aus der Scheide gezogen hatte, vorgetreten war und seine Kehle durchtrennt hatte.
    Als der Tote weggezogen wurde, sagte der Optio: »Ich
    bezweifle, daß er uns verlassen und das Pergament den
    ganzen Weg zurück nach Konstantinopel bringen wollte. Er hätte sich klargemacht, daß wir ihm hinterherjagen und ihn einholen würden. Wahrscheinlicher ist, daß er die Rolle jemand anderem aushändigen wollte. Und da er sich bis
    jetzt Zeit ließ, sie zu stehlen, hatte er wahrscheinlich vor, diesen Jemand hier in der Gegend zu treffen.«
    »Das ist auch meine Meinung«, sagte ich. »Und wenn hier wirklich ein oder mehrere Feinde in der Gegend lauern, laßt uns schnell von hier aufbrechen. Dort drüben sehe ich
    Amalamenas Chasar-Zofe, die eben ein paar Herbstblumen für ihre Herrin pflückt.« (Und, wie ich zufrieden bemerkte, dafür sorgte, daß die Blüten ihr Gesicht beschatteten.) »Die Prinzessin ist also auch auf den Beinen. Ich werde sie aber nicht abreisen lassen, bevor sie nicht ausgiebig gefrühstückt hat. Sorgt dafür, daß die Männer und Tiere auch satt
    werden, und bereitet alle darauf vor, sofort danach
    aufzubrechen.«
    Ich erklärte Amalamena alles, als wir gemeinsam von dem Tablett aßen, das ich in ihr Quartier gebracht hatte, und es erfreute mein Herz, sie nun mit gutem Appetit essen zu sehen.
    »Ich wäre gern noch länger hier geblieben«, sagte sie.
    »Die Thermen scheinen mir auf höchst wundersame Weise
    geholfen zu haben. Ich hatte heute morgen einen
    Riesenappetit auf mein Frühstück. Doch wie du schon
    sagtest, haben wir eine Mission zu erfüllen. Ich bin bereit und ich fühle mich kräftig genug, weiterzumachen.«
    »Dann leg rasch deine königlichen Insignien für unsere heutige Tagesreise an«, sagte ich. »Doch ziehe heute
    abend, sobald wir unser Lager aufschlagen, wieder
    Swanildas Gewand an.« Ich zog aus meiner Tunika das
    zurückgewonnene Pergament und sagte: »Heute nacht
    klemme ich mir das wahrscheinlich zwischen die Zähne.«
    Als der Zug sich formiert hatte und bereit zur Abreise war und die Pferde in Erwartung des Aufbruchs begierig
    schnaubten, ritt der Optio von der Spitze des Trupps zurück zu der Stelle, wo ich neben Amalamenas Karosse auf Velox saß, und sagte:
    »Es gibt zwei Straßen, die wir von hier aus nehmen
    könnten, Saio Thorn. Der tote Verräter rechnete sicher damit, daß wir auf der Straße bleiben würden, auf der wir hierher kamen, auf der, die von hier in nordwestlicher Richtung geradewegs nach Naissus und anschließend nach Singidunum führt.«
    »Ich verstehe, was du meinst. Sein Komplize - oder die Bande oder Horde von Komplizen - wird vermutlich auch
    damit rechnen, daß wir auf dieser Straße Weiterreisen
    werden. Ich danke dir für deinen Scharfsinn, Daila. Und die andere Straße?«
    »Sie führt von hier aus nach Norden am Fluß Strymon
    entlang, und in die Stadt Serdica.«
    »Nun, Serdica liegt weitab von unserem Weg«, sagte ich.
    »Doch werden wir diese Straße nehmen und so lange auf ihr bleiben, bis wir ein gutes Stück von hier weg sind. Dann hoffen wir darauf, auf eine andere Straße zu treffen, die in Richtung Westen abzweigt, und nehmen unseren früheren
    Kurs wieder auf. Sehr gut. Gib das Kommando zum
    Aufbruch, Daila.«
    Wir schienen beinahe die einzigen Reisenden zu sein, die an diesem Tag die Straße entlang des Flusses benutzten; weder holten uns andere Reisegruppen ein, noch überholten wir welche, mit Ausnahme einiger Schweine-und
    Schafherden und ihrer Viehtreiber. Aus diesem Grund
    beschlich mich - ebenso wie den Optio Daila ein ungutes Gefühl, was die Sicherheit dieser besonderen Wegstrecke betraf, da die Landschaft uns auf beiden Seiten immer mehr einschloß. Wir befanden uns

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