Der Greif
aufhalten würde - könnte sich eine solche Prinzessin nicht als wertvollerer Trumpf erweisen als ganze Armeen von Kriegern draußen?
Hastig legte ich meine Rüstung, Stiefel und anderen Staat ab und schleuderte alles in der Dunkelheit in die Büsche neben der Karosse. Sogar mein kostbares
Schlangenschwert wollte ich wegwerfen, besann mich dann aber eines besseren. Ich trennte mich von Gurt und Scheide, doch verschaffte ich dem Schwert noch ein weiteres
Blutbad, wenn auch nur ein vorgetäuschtes und reichlich pathetisches. Sorgfältig steckte ich die Schwertspitze in die Wunde die der Wachposten in Amalamenas Brust
hinterlassen hatte und formte mit den Lippen schweigend einige Abschiedsworte an sie rammte dann das Schwert so tief in die Wunde, wie die andere Waffe hineingefahren war und ließ es dort, wobei das Heft die Waffe wie ein aufrecht stehendes Kreuz aussehen ließ.
Ich entkleidete mich bis auf das Hüftband, das ich immer noch trug, nahm dann aus der Truhe die besten Gewänder der Prinzessin samt dem entsprechenden Zubehör und legte sie an. Dann kniete ich neben ihrem Leichnam nieder, nahm ihr mit einer gemurmelten Entschuldigung die goldene Kette mit den drei Anhängern ab und legte sie mir um den Hals.
Zuguterletzt steckte ich den gefälschten Vertrag in das blusige Oberteil meines Gewandes - und ich war kaum damit fertig, als mein Eroberer auch schon kam, um mich zu holen.
Mit einem Geräusch, das sich anhörte, als teile ein
Blitzschlag den Himmel, wurden die Vorhänge der Karosse unvermittelt heftig auseinandergerissen. Im selben Moment stieß der Eindringling ein Triumphgeheul über seine
Entdeckung aus. Er stand draußen zwischen den Vorder-
und Hinterrädern der Karosse, hielt mit seinen
muskelbepackten Armen die Vorhänge weit auseinander
und war so massig, daß sein Helm beinahe das Dach
berührte. Er stieß weiterhin das bestialische Gebrüll aus, als ich instinktiv - und nicht vorgetäuscht - vor ihm zurückwich, wie es eine furchtsame Jungfrau auch in Wirklichkeit tun mochte. Da er einen gotischen Helm trug, sah ich von
seinem Gesicht nur seinen Bart, seinen Mund und seine
Augen. Der Bart war gelblichgrau, zerzaust, reichte bis zur Brust und war borstig wie die Stacheln eines Igels. Der brüllende Mund stand offen, Speichelfäden hingen ihm
zwischen Ober- und Unterlippe und dahinter waren lange, fast pferdeartige gelbe Zähne. Die von roten Lidern
bedeckten und von roten Äderchen durchzogenen Augen
hätten einem grotesken Riesenfrosch gehören können, sie schienen das gesamte Innere der Karosse von einer Wand zur anderen abzutasten, ohne sich ein einziges Mal zu
bewegen, weil jeder Augapfel unabänderlich nach außen
gedreht war.
Strabo
1
Theoderich Strabo - oder Theoderich Triarius, wie ihn
seine Schmeichler gehorsam nannten - hörte auf, seiner Freude über meine Entdeckung brüllend Ausdruck zu geben und erkundigte sich mit einer Stimme, die knirschte, als würden Grabsteine aneinander gerieben: »Ist jus
Amalamena, niu?«
Als sei ich sprachlos vor Entsetzen, nickte ich nur und hob die goldene Kette, um ihm die daran baumelnden
Schmuckstücke vorzuweisen. Er beugte sich vor, um sie in dem schwachen Licht genauer in Augenschein zu nehmen,
erst mit dem einen, dann mit dem anderen Auge, und
grunzte verächtlich.
»Ja. Wie man sie mir beschrieben hat. Eine närrische
Frau, die direkt neben einem heiligen Symbol das
Monogramm ihres schwachsinnigen Bruders trägt. Ja, Ihr seid das wirklich.« Er wies mit seinem stachligen Bart auf den durchbohrten Körper der Prinzessin. »Und wer ist das da?«
Ich gab vor, nur mit Mühe zu einer Antwort fähig zu sein:
»Sie... war Swanilda. Meine Kammerzofe. Sie bat mich...
das zu tun. Sie hatte große Angst davor... vergewaltigt zu werden... oder noch Schlimmeres erleiden zu müssen.«
Er lachte gemein. »Und Ihr habt wohl keine Angst, niu?«
»Ich stehe unter gutem Schutz«, antwortete ich in dem
Versuch, so zu wirken, als glaube ich daran, und zeigte ihm noch einmal die Anhänger an der Kette.
»Schutz? Wer sollte Euch wohl beschützen, niu? Der
heidnische Thor? Der Christ? Euer nichtsnutziger Bruder?«
»Ne, das dritte Amulett hier.« Ich hielt es in die Höhe, etwas getrennt von den beiden anderen. »Mein Fläschchen mit Jungfrauenmilch.«
»Eine echte Reliquie.« Ich richtete den Blick himmelwärts, setzte eine einfältige, inbrünstig andächtige Miene auf und beschrieb mit der freien Hand das Zeichen des
Weitere Kostenlose Bücher