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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Nachtruhe gestört zu haben, Prinzessin. Doch ich möchte uns alle bei Tagesanbruch auf der Straße haben. Wir
    werden in zügigem Tempo reiten und erst morgen abend
    wieder ein Lager aufschlagen. Wenn Ihr also noch ein
    Schläfchen halten wollt, bevor wir aufbrechen, schlage ich Euch vor, es jetzt zu tun.«
    Ich warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu, deshalb wandte er sich nochmals an den Optio und sagte zu ihm: »In der Zwischenzeit, Ocer...«
    Ich hätte gerne gehört, welche weiteren Anweisungen
    Strabo noch erteilte, doch wurde ich fort in die Dunkelheit gezerrt, und nachdem die Pferde wieder vor die Karosse gespannt worden waren, stießen mich meine beiden
    Wächter ziemlich unsanft hinein. Amalamenas Leiche war bereits entfernt worden, es war nichts mehr von ihr übrig als ein kleiner getrockneter Blutfleck an der Stelle, wo sie gelegen hatte. Ich erkundigte mich bei meinen Bewachern, was mit ihren Überresten geschehen war. Ich fürchtete, daß ein so lieblicher junger Körper, immer noch weich,
    geschmeidig und zum Eindringen geeignet, rohe Soldaten verführt haben könnte, ihn zu allen möglichen degenerierten Vergnügungen zu benutzen.
    »Wird sind Ostgoten wie Ihr selbst«, erinnerte mich einer der Männer hochmütig. »Wir schänden keine Toten. Eure
    Zofe wird genauso behandelt wie jeder Krieger, der in
    diesem Kampf gefallen ist.«
    Ich spielte mit den Anhängern an der Kette um meinen
    Hals und betete schweigend - wenn auch zu keiner
    bestimmten Gottheit: »Bitte gib, daß Swanilda sicher bei Theoderich angekommen ist!« Seitdem ich Konstantinopel verlassen hatte, war nicht alles planmäßig verlaufen, doch war ich immerhin noch am Leben und darüber hinaus in
    einer äußerst günstigen Situation, besonders wenn
    Theoderich tatsächlich seinen Vertrag in Empfang
    genommen hatte und Strabo weiterhin glaubte, er habe ihn nicht.
    Weit weg in Singidunum würde Theoderich nicht viel Zeit damit verlieren, sich Sorgen zu machen, was wohl mit
    seinem Marschall Thorn, seiner Schwester Amalamena,
    seinem Optio Daila und all jenen anderen Kriegern
    geschehen war. Bald würde er Kundschafter aussenden, die im Galopp unsere Strecke zurückverfolgen würden. Doch
    was würden sie herausfinden? Keine Kampfszenen und
    auch keine Gerüchte, daß Kämpfe stattgefunden hätten. Sie würden in pautalia erfahren, daß unser Trupp den Ort auf dieser bestimmten Straße verlassen habe. Und dann würden sie von Reisenden, Anwohnern oder Gasthausbesitzern an dieser Straße zu hören bekommen, daß in der Tat ein Zug ostgotischer Reiter an ihnen vorbeigekommen sei und ja, sie hätten eine stattliche Karosse begleitet, in der eine hübsche Frau gesessen habe...
    Für Theoderichs Kundschafter würde es so aussehen, als habe Saio Thorn unvermittelt und ganz
    unverständlicherweise - vielleicht sogar in verräterischer Absicht - den ganzen Trupp von seinem beabsichtigten
    Zielort ferngehalten und ihn in Strabos Ländereien geführt, oder auf die andere Seite der Erde, oder ins Nir-Iwana. Ich hatte keine Vorstellung, wohin Strabo mich nun bringen würde, und da ich das ganze mit voller Absicht so geplant hatte, war es mir auch ziemlich gleichgültig. Dennoch hätte ich es vorgezogen, daß jemand, dem das alles nicht
    gleichgültig wäre, mir dorthin hätte folgen können.
    Wir waren den ganzen Tag unterwegs und machten nur
    gelegentlich Halt, damit die Männer ihre Pferde wechseln und alle mit Wasser versorgen konnten. An zwei oder drei dieser Raststellen brachten mir meine Wächter aus dem
    Reiseproviant des Trupps etwas zu essen und zu trinken: kaltes Räucherfleisch oder gesalzenen Fisch, einen harten Kanten Brot, eine lederne Tasse mit Wein oder Bier. Bei diesen Gelegenheiten wurde mir auch gestattet, kurz aus der Karosse auszusteigen, mir ein wenig die Beine zu
    vertreten und meine Blase zu entleeren. Wir setzten unseren Weg in nordöstlicher Richtung fort, offenbar geradewegs nach Serdica. Ich wußte, daß es sich um eine
    verhältnismäßig große Stadt handelte, doch war mir nicht klar, ob sie zu Strabos Herrschaftsgebiet gehörte oder ob er sie lediglich als günstigen Ort einschätzte, mich
    gefangenzuhalten, während er mit Theoderich verhandelte.
    Nun, dachte ich bei mir, ich würde es rechtzeitig
    herausfinden. An diesem Tag erreichten wir Serdica trotz zügigen Reittempos nicht mehr, und als wir an diesem
    Abend unser Lager am Straßenrand aufschlugen, stellte ich fest, daß Strabo andere und gemeinere Pläne

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