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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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verpflichtet, ihm zu dienen, doch sind sie sehr unzufrieden. Ach, sie sind gute Kämpfer, ja, und Strabo gibt ihnen oft Gelegenheit zum Kampf. Doch selbst wenn es
    niemanden zu bekämpfen gibt, läßt er sie in irgendeinem Hinterland reiten, marschieren und auf der Lauer liegen.«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Bis auf die gelegentliche Abwechslung, hier in der
    Garnison von Constantiana zu dienen, dürfen sie selten die Zerstreuungen einer Stadt genießen: ein ausgelassenes
    Fest in einem Bordell, eine gute Mahlzeit, ein ordentliches Besäufnis und vielleicht noch eine handfeste Schlägerei in einer Taberna, nicht einmal ein schönes, erholsames Bad in einer Therme.«
    »Wollt Ihr damit etwa sagen, Odwulf, daß Strabos Männer ihn verlassen und zu Theoderich überlaufen könnten?«
    »Ach, ne. Nicht in so kurzer Zeit. Sie, ihre Väter und Großväter sind der amalischen Linie, von der Strabo
    abstammt, schon zu lange verpflichtet. Ich vermute, ihre Unzufriedenheit könnte vielleicht zu offener Rebellion aufgepeitscht werden, doch brauchte man dazu Agitatoren, die so spitzfindig wären wie Priester, und es wären eine Menge davon erforderlich und das ganze würde
    möglicherweise viele Jahre dauern.«
    »Wenn Strabo aber eliminiert würde«, sagte ich
    nachdenklich, »... wenn sie keinen Führer mehr hätten, dem sie folgen könnten...«
    Odwulf sah mich so ähnlich an wie Strabo, als ich ihm
    vorgeschlagen hatte, er solle die Finger der Dienstmagd amputieren. Er sagte: »Swanilda, ich habe schon von
    Amazonen gehört, doch habe ich nie damit gerechnet,
    einmal einer zu begegnen. Schlagt Ihr vor, den Mann zu ermorden? Ihr selbst? Eine schlanke junge Frau gegen
    einen zähen alten Krieger? Hier in seinem eigenen Palast, in seiner eigenen Stadt, mitten in seinem eigenen
    Territorium?«
    »Falls ich das tun würde - oder falls irgend jemand das täte wenn seine Truppen keinen Strabo als Oberhaupt
    hätten, glaubst du, daß sie statt dessen Theoderich als ihren König anerkennen würden?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich bin nur ein einfacher
    Soldat. Zweifellos wären sie ziemlich verwirrt und
    verunsichert. Doch bedenkt, Swanilda, Strabos
    Regierungsgewalt würde seinem Sohn Rekitach übertragen werden.«
    Ich murmelte: »Ich glaube, nicht einmal Strabo würde
    seinen guten Männern einen Fisch als König wünschen.
    Doch sag, Odwulf, wie hast du es fertig gebracht, so lange unentdeckt zu bleiben? Kannst du das noch etwas länger durchhalten?«
    »Ich glaube schon, ja. Es ist ein seltsames und für einen Soldaten ungewohntes Gefühl, nicht irgendeiner Schwadron anzugehören, beim Appell nicht zu antworten, keine
    Aufgaben irgendwelcher Art zu haben. Doch ich habe schon dazugelernt. Immer, wenn ich irgendwohin gehe, trage ich etwas mit mir herum. Etwas Großes und weithin Sichtbares.
    Einen unbehauenen Holzklotz, einen Packen Speere, die
    poliert werden müssen, einen reparaturbedürftigen Sattel.
    Jeder Offizier, der mich sieht, glaubt, ich sei mit irgendeiner Aufgabe oder einem Auftrag für einen anderen Offizier
    unterwegs.«
    »Mach weiter so. Sei unauffällig. Mir kommt da eine Idee, und falls ich versuchen sollte, sie in die Tat umzusetzen, werde ich dich brauchen. Eine Abordnung von Strabos
    Truppen wird bald von einer kleineren Schlacht irgendwo nördlich von hier zurückkehren. Sie bringen einige Hundert Kriegsgefangene, Herulianer. Wenn sie eintreffen, sorg'
    dafür, daß du wieder zur Wache vor meiner Tür eingeteilt wirst. Ich werde dir dann sagen, was ich vorhabe. Und ich versichere dir, Odwulf, dann wirst du dich wieder als echter Soldat fühlen.«
    Als Strabo mir das nächste Mal einen Besuch in meinen
    Gemächern abstattete, war er fast einem Schlaganfall nahe, der ihn daran hinderte, mich zu belästigen, von Camilla ganz zu schweigen. Mit Schaum vor dem Mund und unstetem
    Blick brüllte er mich an:
    »Meine Geduld ist kurz vor dem Ende! Der
    vertrauenswürdige Optio Ocer hätte nicht gewagt, mich in Ungewißheit warten zu lassen. Es muß falsches Spiel
    seitens Eures nichtsnutzigen Bruders dahinterstecken, das Ocers Rückkehr hierher verzögert. Bei allen Göttern, Eurem Kreuz, Eurem Hammer und den Ausscheidungen Eurer
    Jungfrau Maria werde ich nur noch zwei Tage länger warten!
    Heute abend treffen diese herulianischen Gefangenen ein.
    Ich bin in der Stimmung, sie morgen inständig wünschen zu lassen, daß sie auf dem Schlachtfeld umgekommen wären, wie es sich gehört. Doch wenn ich mit ihnen

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