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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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den Sümpfen des Donaudeltas - zwei unbedeutende Seitenlinien der Herulianer - aus irgendwelchen Gründen Streit. Dann fingen sie, ohne meine Erlaubnis, einen kleinlichen Krieg untereinander an. Ich schickte meine Armee hin, um die Sache im Keim zu ersticken.«
    »Woher wußte Eure Armee, auf wessen Seite sie sich
    schlagen sollte?«
    »Was? Sie hatten selbstverständlich den Befehl, alle kämpfenden Männer auszulöschen, und ihre Frauen und
    Kinder als Sklaven gefangenzunehmen. Wie sollte ich sonst wohl Ungehorsam bestrafen?« Er streckte sich träge und furzte. »Zufälligerweise ergaben sich jedoch ziemlich viele der aufständischen Krieger feige, bevor sie erschlagen werden konnten. Deshalb ist ein Teil meiner Armee im
    Moment auf dem Rückweg hierher und bringt diese
    Kriegsgefangenen mit - etwa dreihundert von jeder Seite, wie man mir sagte. Ich werde sie auf eine Art und Weise hinrichten lassen, die jedem in Constantiana Vergnügen bereiten wird. Vielleicht die Tunica molesta. Oder wilde Tiere. Oder das Patibulum. Ich habe mich noch nicht
    entschieden.«
    Ich ließ nicht locker: »Aber wenn Ihr Eure Armee dauernd auf dem Schlachtfeld habt und hier nur eine kleine Garnison, was sollte Theoderich - oder irgendeinen anderen Feind -
    daran hindern, Constantiana zu belagern? Ich könnte mir vorstellen, daß Ihr und Eure Garnisonstruppen und alle Bürger von Constantiana vom Hunger zur Kapitulation
    gezwungen werden würdet, lange bevor Eure Armee hier
    sein könnte, um Euch zu befreien.«
    Er schnaubte angeekelt. »Vai! Die Worte von Frauen sind leeres Geschwätz! Diese Stadt könnte von allen Armeen
    Europas zusammen nicht erfolgreich belagert werden. Ihr saht doch den Hafen. Die Schiffe aus dem Schwarzen Meer könnten Constantiana, falls nötig, jahrzehntelang mit
    Nahrungsmitteln, Waffen und Vorräten versorgen, damit es weiter Widerstand leisten kann. Nur wenn alle Kriegsflotten Europas sich zusammenschließen würden, könnte eine
    Blockade Constantiana gefährlich werden. Aber keine Flotte könnte hierher gelangen, ohne sich durch die Meerenge des Bosporus zwängen zu müssen, um in das Schwarze Meer
    zu gelangen. Jede sich nahende Flotte würde mir schon so lange vorher gemeldet werden, daß ich Maßnahmen
    ergreifen könnte, sie zurückzudrängen.«
    »Ja, darauf hätte ich selbst kommen müssen.«
    »Hört zu, närrische Dirne. Die einzige Art, wie diese Stadt zerstört werden könnte, ist von innen. Ein Aufstand entweder der Einwohner oder der Truppen. Und das ist ein weiterer Grund, warum ich die meisten meiner Soldaten in sicherer Entfernung von hier einsetze. Es gab immer Armeen, die sich gegen ihre Führer aufgelehnt haben. Doch ist die
    Garnison, die ich hier habe, groß genug - und ich sorge dafür, daß meine Männer die Bevölkerung mit aller Brutalität einschüchtern -, um jeden potentiellen Revolutionär unter den Städtern zu entmutigen.«
    Ich bemerkte dreist: »Ich glaube kaum, daß Eure Truppen oder Euer Volk Euch wegen dieser Maßnahmen sehr
    gewogen sind.«
    »Ich gebe keinen Pfifferling für ihre Sympathie,
    ebensowenig wie für Eure.« Er hustete Schleim hoch und spuckte ihn auf den Boden vor meine Füße. »Obwohl ich
    beileibe kein sklavischer Imitator der saftlosen Römer bin, befolge ich doch zwei ihrer alten Maximen. ›Divide et
    impera.‹ Teile, um regieren zu können. Das ist ein weiser Ratschlag. Die zweite gefällt mir sogar noch besser. ›Oderint dum metuant.‹ Laßt sie nur hassen... wenn sie sich nur fürchten.«
    Odwulf kam auf dieselbe Angelegenheit zu sprechen, als er das nächste Mal als Wache eingeteilt war.
    »Die paar Krieger, mit denen ich flüchtig bekannt bin, denken, ich sei nicht ganz richtig im Kopf«, sagte er. »Um zu erklären, daß ich erst seit kurzem bei ihnen bin, tischte ich ihnen die Geschichte auf, daß ich früher ein Ulan in
    Theoderichs Armee war, daß ich erwischt wurde, wie ich beim Würfelspiel mogelte, am Auspeitschpfahl schwer
    bestraft wurde und daß ich dann meine Kameraden verließ, um mich statt dessen Strabos Streitkräften anzuschließen.«
    »Mir scheint das ein klug ausgedachter Vorwand zu sein«, sagte ich. »Was finden sie daran so unsinnig?«
    »Sie sagen, daß nur ein Mann mit Skeit im Kopf Strabos Armee Theoderichs vorziehen würde.«
    »Warum denn? Offensichtlich tun sie das doch auch.«
    »Bei ihnen liegt es daran, daß ihre Familien schon lange Strabos Zweig der amalischen Linie die Treue halten. Sie fühlen sich

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