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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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diese Enthüllung gern ein wenig durch den Kopf gehen lassen, doch Meirus bedrängte mich hartnäckig weiter: »Dürfte ich Euch im Vertrauen fragen, Marschall, wäre es möglich, daß diese Person ein alter Feind von Euch ist?«
    Erneut unerklärlich gereizt zischte ich: »Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich nie einen Feind - weder Gott noch Mensch namens Thor. Doch falls dieser Mann einer sein
    sollte und Euch erneut aufsucht, könnt Ihr ihm sagen, daß ich es vorziehe, wenn meine Feinde von vorn auf mich
    zukommen und nicht von hinten.«
    3
    Swanilda und ich verließen Noviodunum nicht im Galopp, da wir unsere Pferde in einer Gangart halten mußten, mit der Made Schritt halten konnte. Am Stadtrand warf Swanilda einen Blick zurück und sagte: »Niemand folgt uns, Thorn.«
    Ich knurrte: »Götter sind vielleicht Langschläfer. Der Teufel soll den da im Schlaf holen.«
    »Mein Herr, der Schlamm-Mann, hat mir Euer Anliegen
    erläutert, Fräuja Thorn«, sagte Made, der, während er neben uns hertrottete, offenbar mühelos sprechen konnte, ohne außer Atem zu geraten. »Ich werde Euch einem
    hochbetagten ostgotischen Paar aus meiner Bekanntschaft vorstellen, das sich, wie alle alten Leute, gern an die Vergangenheit erinnert.«
    »Sehr gut, Made. Werden wir eigentlich in der Lage sein, unser ganzes Unternehmen in diesem Sumpfgebiet zu Pferd zu erledigen? Oder werden wir hin und wieder aufs Wasser ausweichen müssen?«
    »Nein, nein. Ihr werdet den Boden zwar unangenehm
    sumpfig finden, doch ich kenne die Pfade genau, die um oder durch die morastigeren Stellen führen. Ihr könnt Euch darauf verlassen Fräuja, daß ich Euch gefahrlos und
    bequem führen werde.«
    Bei Anbruch der Dämmerung näherten wir uns einem
    kleinen Hügel, auf dem ein recht stabil gebautes Holzhaus stand. Auf unserem Weg nach oben stieß Made einen lauten Ruf aus, worauf in dem mit Leder verhängten Eingang zwei Gestalten erschienen. Er rief ihnen zu: »Hails, Fillein uh Bauhts!« Sie winkten und entboten ihm ihrerseits den
    Willkommensgruß: »Hails, Maghib!«
    Wie bei so vielen älteren Paaren der Fall, waren Mann und Frau kaum voneinander zu unterscheiden - beide waren
    gekrümmt und zerbrechlich, trugen dieselbe Kleidung und hatten dieselben runzligen Gesichter - abgesehen davon, daß der Mann einen weißen Vollbart trug, während die Frau nur einen kümmerlichen Schnurrbart und ein paar vereinzelt sprießende Haare an Kinn und Wangen aufwies. Swanilda
    und ich saßen ab, und Made machte uns alle miteinander bekannt.
    »Das ist der gute Mann Fillein und seine gute Frau Bauhts, beide Ostgoten.« An sie gewandt sagte er: »Meine alten Freunde, ich bin stolz, Euch Herrn Thorn, den Marschall des Königs der Ostgoten und seine Begleiterin, Frau Swanilda, vorstellen zu können.«
    Anstatt mich zu begrüßen oder willkommen zu heißen,
    überraschte mich der alte Fillein mit der nörgelnden
    Bemerkung: »Thorn? Thorn? Er ist nicht Marschall eines Königs. König Thiudamers Marschall heißt Soas. Ich mag ja alt und geistesschwach sein, aber daran erinnere ich mich.«
    Ich lächelte und sagte: »Verzeiht, werter Fillein. Es stimmt, daß Soas immer noch Marschall ist, doch bin ich ein weiterer Marschall. Und König Thiudamer ist schon seit vielen Jahren tot. Sein Sohn Thiuda der Jüngere regiert jetzt an seiner Stelle; man nennt ihn Thiudareichs - oder gebräuchlicher Theoderich. Er war es, der mich neben Saio Soas zum
    Marschall ernannte.«
    »Ihr macht Euch doch nicht über mich lustig?« sagte der alte Mann unsicher. »Stimmt das wirklich?«
    »Es könnte stimmen«, warf seine Frau ein, deren Stimme ebenso dünn und zittrig klang. »Erinnerst du dich nicht an die Zeit, Mann, in welcher dieser Sohn geboren wurde? Das Kind des Sieges, nannten wir ihn alle « Zu mir sagte sie: »Ist dieser Thiuda schon zum Mann herangereift und inzwischen König geworden? Wahrhaftig, wie die Zeit vergeht.«
    »Die Zeit vergeht allerdings«, echote Fillein melancholisch.
    »Also dann... wailagamotjands, Saio Thorn. Unser
    bescheidenes Haus steht Euch zur Verfügung. Ihr seid
    sicher hungrig. Tretet ein, tretet ein.«
    Made führte die Pferde hinter das Haus, um sich nach
    Futter für sie umzusehen, während Swanilda und ich den alten Leuten ins Innere des Hauses folgten. Fillein stocherte im Kamin herum, um aus der glühenden Asche wieder ein
    Feuer zu entfachen, während Bauhts mit einem langen,
    gespaltenen Stock eine Wildbret-Schinkenschwarte von den Dachsparren

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