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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Laune des alten Juden noch zu
    verstärken, deshalb versuchte ich ihn dadurch aufzuheitern, daß ich sagte: »Mein Amtsgenosse Thor und ich haben die Angelegenheit, ob wir Euren Schürfer mit uns nehmen
    sollen, besprochen. Wir sind übereingekommen, daß Made mit uns reiten kann, und werden uns bemühen, ihn gesund und munter an der Bernsteinküste abzusetzen.«
    »Thags izei Euch beiden«, brummte Meirus mürrisch.
    Ich aß und trank weiterhin mit großem Appetit, bis er
    schließlich etwas auftaute und sagte: »Thags izvis, Saio Thorn. Ich hoffe, einen großen Gewinn aus diesem
    Unternehmen zu ziehen und ich bin sicher, Maghib wird
    davon profitieren, seinen Erfahrungsbereich erweitern zu können. Ich hoffe nur, daß er und Euer neuer Freund Thor zusammen als Begleiter auch nur halb so viel wert sind, wie es das Mädchen Swanilda war.«
    Ich verkniff mir einen Kommentar zu dieser Bemerkung
    und erhob mich von der Tafel.
    »Gehen wir und tragen Made auf, alles für die Reise
    vorzubereiten. Ich würde mir auch gerne das Pferd ansehen, das Ihr ihm versprochen habt.«
    »Maghib wartet in der Lagerhalle auf Euch. Ich werde
    meinen Stallknecht anweisen, ein paar Pferde dorthin zu bringen, aus denen Ihr und Maghib dann eines auswählen könnt.«
    »Gut«, sagte ich. »Thor wird sich uns dort anschließen. Ihr beide werdet Euch also erneut begegnen.«
    »Biy yom sameach.«
    »Was?«
    »Ich sagte: ›O freudiger Tag‹«, knurrte er und verließ das Haus durch eine Hintertür, während ich zur Vordertür
    hinausging.
    Made stand in der Lagerhalle an der Tür, die auf die
    Straße führte, als erwarte er mich höchst ungeduldig, doch sah er ganz und gar nicht erfreut aus, mich zu sehen. Er hielt die Zügel von Swanildas Pferd, und da es schon
    gesattelt und mit einem Bündel bepackt war, nahm ich an, daß sie auch da sei und im Innern des Lagerhauses wartete, um sich zu verabschieden, wenn wir uns alle versammelt hatten.
    »Hails, Made! Ich habe eine gute Neuigkeit für dich. Wenn du immer noch vorhast, dich ins Abenteuer zu stürzen, laden Thor und ich dich ein, mit uns zusammen zu reiten.«
    Er dankte mir keineswegs überschwenglich oder vollführte gar Luftsprünge vor Freude, sondern sagte nur: »Frau
    Swanilda...«
    »Sie begleitet uns nicht.«
    »Nein«, stieß er mit einem Krächzlaut hervor und deutete in den dunklen Innenraum des Gebäudes. »Frau
    Swanilda...«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Wir wollen uns alle von ihr
    verabschieden.«
    »Ihr wißt es also schon?« rief er mit schriller Stimme und verdrehte die Augen.
    »Was ist denn los mit dir?« fragte ich.
    »Mit mir?!« stieß er halb schluchzend hervor und deutete erneut ins Innere des Warenlagers.
    Kopfschüttelnd ging ich hinein. Es dauerte einige
    Augenblicke, bis sich meine Augen an die Dunkelheit
    gewöhnt hatten. Dann sah ich, was Made gemeint hatte. In einer Ecke hing von einem hohen Balken ein Gewirr von
    Pferdegeschirrteilen, die straff gespannt waren, weil die unteren Riemen um den Hals des kleinen, baumelnden,
    toten Körpers geknotet waren.
    7
    Ich zog sofort mein Schwert, durchtrennte die Lederriemen und nahm ihren leblosen Körper in meine Arme, merkte
    jedoch gleich, daß es für sie keine Rettung mehr gab.
    Vorsichtig legte ich die noch warme Leiche auf einem
    Heuballen nieder und sagte halb zu mir selbst und halb zu dem neben mir stehenden Made: »Wie kann eine lebendige Person sich bei strahlendem Sonnenschein an so einen
    feuchten und übelriechenden Ort zurückziehen und sich so etwas Schreckliches antun?«
    Inzwischen waren Meirus und Thor zu uns gestoßen, und
    eine Zeitlang starrten wir alle schweigend auf Swanildas mitleiderregenden, kleinen Körper. Wieder sagte ich halb zu mir selbst: »Ich habe sie nach Novae zurückgeschickt, und zwar allein. Ich hatte vergessen, daß sie mir einmal gesagt hatte, sie sei ohne eine Herrin oder einen Herrn eine
    verlorene Waise. Das hat sie wahrscheinlich dazu
    bewegen...« Dann blickte ich auf und bemerkte, daß Thor mich spöttisch und beinahe herausfordernd ansah. Ich
    bemühte mich sehr um männliche Härte und sagte so kühl wie ich nur konnte: »Nun, welche Gründe sie auch immer gehabt haben mag, ich wünschte, sie hätte es nicht getan...«
    Ich spürte, daß mir fast die Stimme brach und sagte daher zu Meirus: »Seht Ihr, als Christin hat sie eine unverzeihliche Sünde begangen. Sie hat gegen den Willen, die Gnade und das Urteil Gottes verstoßen. Kein Priester wird ihr daher mit einem

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