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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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auf einen
    zurechtgeschnittenen, geraden Ast, als ich schließlich doch grimmig fragte: »Wer war es?«
    »Wer war was?« fragte sie ohne aufzuschauen zurück,
    während sie den Bratspieß über zwei am oberen Ende
    gegabelte Stöcke legte, die sie senkrecht in die Erde gebohrt hatte.
    »Du hast vor kurzem mit einem anderen Mann
    geschlafen.«
    Sie starrte mich an; ihr Blick war trotzig und müde
    zugleich. »Hast du hinter mir herspioniert? Hast du mich vielleicht dabei beobachtet?«
    »Das war gar nicht nötig. Ich rieche das Sperma eines
    Mannes.«
    »Väi, ich dachte, ich hätte scharfe Sinne, aber du scheinst die Nase eines Spürhundes zu haben.« Sie zuckte
    gleichmütig mit den Schultern. »Ja, ich habe mit einem Mann geschlafen.«
    »Warum?«
    »Warum nicht? Die Gelegenheit war günstig: da war ein
    Mann, und du warst nicht da. Ich gab vor, daß mein Pferd sich einen Stein in seinen Huf getreten hätte, und bat Made, schon einmal vorauszureiten.« Kühl fügte sie noch hinzu:
    »Mir blieb zwar nur wenig Zeit, aber sie genügte.«
    Ich sagte gefühlvoll: »Aber warum? Warum hast du so
    etwas Schmutziges getan, Genoveva? Wo wir beide doch
    alles haben, was wir uns nur wünschen können...«
    »Verschone mich«, sagte sie und rollte gequält die Augen.
    »Willst ausgerechnet du mir Vorträge über Treue und
    Standhaftigkeit halten? Ich bin es leid, nur dein Anhängsel zu sein. Ich möchte um meiner selbst willen beachtet
    werden. Dieser Mann hat mich beachtet.«
    »Wer? Welcher Mann?« stieß ich hervor. Ich packte sie an den
    Schultern und schüttelte sie heftig. »Ich bin alle Männer durchgegangen, die heute an uns vorbeikamen. Welcher
    war es?«
    Ich schüttelte sie so sehr, daß ihre Zähne klapperten und sie ihre Worte nur mühsam hervorstoßen konnte: »Es war...
    es war der... der Köhler...«
    »Was?!« brüllte ich und ließ sie vor Überraschung los.
    »Warum ausgerechnet dieser heruntergekommene
    slowenische Bauer? Wir haben doch unterwegs noch andere Männer getroffen?«
    Sie grinste selbstgefällig. »Ach, ich habe schon einige Slowenen gehabt; aber ich habe es noch nie mit einem so alten Mann versucht; und auch nicht mit so einem
    schmutzigen. Es war zwar etwas völlig Neues, aber ich muß zugeben, daß ich es enttäuschend fand.«
    »Du lügst. Du weißt, daß ich den Mann, der es war,
    suchen und töten werde, deshalb deckst du ihn.«
    »Ni allis. Es ist mir gleichgültig, wen du umbringst, solange ich dadurch keine Unannehmlichkeiten habe.«
    »Made!« rief ich. »Nimm Velox den Sattel noch nicht ab, sondern bring ihn her.«
    Maghib, dem unser Streit zweifellos nicht entgangen war, schlich ängstlich hinter dem Pferd hervor. Ich sagte zu ihm:
    »Kümmere dich um das Essen und wende den Bratspieß
    um! Wir werden zurück sein, bevor das Essen fertig ist.«
    Dann warf ich Genoveva geradezu in den Sattel, sprang
    hinter sie auf Velox und trieb ihn zum Galopp an. Um den alten Mann zu finden, brauchten wir nur ein kleines Stück den Weg zurückzureiten. Er saß zusammengesunken neben
    einem kleinen Feuer, das er mit seiner eigenen Holzkohle entfacht hatte, und röstete darin ein paar auf dünne Äste aufgespießte Pilze. Überrascht blickte er auf, als ich Genoveva vom Pferd zerrte und zu ihm hinüberschleifte.
    Dann zog ich mein Schwert, legte es ihm an den Hals und fauchte Genoveva an: »Sag ihm, er soll es zugeben. Ich möchte es von ihm selbst hören.«
    Das alte Wrack stammelte: »Prosim!... Prosim!«, was auf slowenisch »bitte« heißt, und seine Augen quollen vor Angst aus den Höhlen. Statt Worten sprudelte dann plötzlich Blut aus seinem Mund heraus, das über seinen Bart und meine Hand floß. Kurz darauf fiel er schräg nach hinten, und ich sah Genovevas Messer in seinem Rücken stecken.
    »Hier«, sagte sie mit einem gewinnenden Lächeln. »Habe ich es damit wieder gutgemacht, Thorn?«
    »Ich habe keinen Beweis, daß er es war.«
    »Doch, das hast du. Schau ihn dir nur an. Siehst du diesen gelassenen Ausdruck auf seinem Gesicht? Dieser Mann ist glücklich gestorben.«
    Sie bückte sich, zog ihr Messer heraus, wischte es an dem zerlumpten Mantel des alten Bauern ab und steckte es in seine Scheide an ihrem Gürtel zurück.
    »Selbst wenn ich dir glaube«, sagte ich eisig, »dann hast du mich jetzt zweimal mit diesem Mann hintergangen, denn ich wollte ihn selbst umbringen.« Ich setzte ihr die Spitze meines Schwertes unters Kinn und zog sie mit der anderen Hand an ihrer Tunika so nahe an

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