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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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mich heran, daß ihr
    Gesicht sich dicht vor meinem befand. »Glaub mir, daß ich das gleiche auch mit dir tun werde, falls du mich noch einmal betrügst.«
    In ihren Augen stand die blanke Angst, und es klang
    ehrlich, als sie sagte: »Ich glaube dir.«
    In ihrem Atem spürte ich jedoch immer noch den
    haselnußartigen Geruch männlichen Spermas, daher stieß ich sie derb von mir weg und sagte: »Und glaub mir auch, daß das nicht nur für Genoveva, sondern ebenso für Thor gilt. Ich werde dich weder mit anderen Männern, noch mit anderen Frauen teilen.«
    »Ich glaube dir ja, ich glaube dir ja! Siehst du? Ich bin immer noch dabei, mein Vergehen wieder gutzumachen.«
    Sie hatte einen leeren Sack gefunden, der dem alten Mann gehört hatte, und füllte diesen Sack nun mit Brocken seiner Holzkohle. »Ich ersetze sogar das Holz, das ich für unser Feuer vergeudet habe. Laß uns nun seine Leiche in den
    Fluß werfen und zu unserem Lager zurückreiten. Das
    Abendessen wartet auf uns, und diese ganze Aufregung hat mich wirklich sehr hungrig gemacht.«
    Sie aß tatsächlich mit Heißhunger. Beim Essen plapperte sie, ganz wie ein Weibchen, ununterbrochen über
    belanglose Dinge und war dabei so unbekümmert, als hätten wir nur einen ganz gewöhnlichen Reisetag ohne besondere Vorkommnisse hinter uns. Made dagegen nagte so zaghaft an den Knochen des Auerhahns herum, als wolle er
    vermeiden, daß man ihn überhaupt wahrnahm. Ich aß nur
    ein oder zwei Bissen, denn mir war der Appetit vergangen.
    Bevor wir uns schlafen legten, zog ich Made beiseite,
    damit Genoveva uns nicht hören konnte. Dann gab ich ihm ein paar Anweisungen für die Zukunft.
    »Aber, Fräuja«, wimmerte er. »Warum soll ausgerechnet
    ich die Fräujin bespitzeln? Oder gar einen ihrer Befehle nicht befolgen? Ich bin auf dieser Reise doch nicht viel mehr als ein Gepäckstück.«
    »Du wirst tun, was ich dir sage, weil ich der Anführer dieser kleinen Reisegesellschaft bin. Falls ich je noch einmal dazu gezwungen sein sollte, Genoveva allein zu lassen, dann wirst du meine Augen und Ohren ersetzen.« Halb zu mir selbst sagte ich dann noch mit gequältem Humor: »Ich wünschte nur, deine große Nase wäre imstande...«
    »Meine Nase?« schrie er entgeistert, als hätte ich gedroht, ihm diese abzuschneiden. »Was ist mit meiner Nase, Fräuja Thorn?«
    »Nichts, nichts«, sagte ich. »Bewahr sie dir für das
    Bernsteinschnüffeln auf. Du sollst für mich lediglich Augen und Ohren offen halten. Laß Fräujin Genoveva nicht aus den Augen, und laß dir keines ihrer Worte entgehen.«
    »Aber Ihr habt mir noch gar nicht gesagt, was ich nicht übersehen oder überhören darf.«
    »Schon gut«, grunzte ich, da ich ungern zugeben wollte, daß ich ein von Eifersucht zerfressener Hahnrei war.
    »Berichte mir einfach nur jeden noch so alltäglichen Vorfall und überlaß mir das Urteil. Laß uns jetzt schlafen gehen.«
    Zumindest in dieser Nacht hatte ich auch auf andere Dinge keinen Appetit. Es war eine der wenigen gemeinsam
    verbrachten Nächte, in denen Thorn, Thor, Veleda oder

Genoveva nicht übermütig in Vergnügungen schwelgten.
    Der Tyras floß inzwischen ganz von Westen her auf uns
    zu und wurde zusehends schmäler. Wir näherten uns also langsam seinem Quellgebiet. Ich fragte den Wirt der letzten Krchma auf dieser Strecke nach dem Weg. Er empfahl uns, den Tyras zu überqueren, der hier schon so schmal und
    flach war, daß man mühelos hindurchwaten konnte.
    Anschließend sollten wir in nördliche Richtung weiterreiten.
    Nach ungefähr vierzig römischen Meilen würden wir dann auf den Oberlauf eines weiteren Flußes stoßen, den die Slowenen den Buk nannten. Noch nie zuvor in meinen
    Leben hatte ich gesehen oder gehört, daß ein Fluß von
    Süden nach Norden floß. Der Wirt sagte uns jedoch, wir sollten diesem Buk stromabwärts bis zur Bernsteinküste folgen.
    Nachdem wir ungefähr die Hälfte dieser vierzig römischen Meilen auf einer überraschend guten und von vielen Wagen befahrenen Straße zurückgelegt hatten, erreichten wir ein größeres Dorf, das von seinen Bewohnern Lviv genannt
    wurde. Da es zwischen dem Tyras und dem Buk lag, hatte es sich offensichtlich zu einem Umschlagplatz für die
    Händler dieser Region entwickelt und verfügte daher sogar über eine gut ausgestattete Herberge. Dieses Lviv schien mir für meine historischen Nachforschungen sehr geeignet, außerdem würde es sicherlich eine Weile dauern, bis wir wieder an einen so angenehmen Ort

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