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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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die den Markt besuchen kommen, denn wie die Männer der barbarischen Stämme sind sie
    schwer bewaffnet und nur mit ein paar Lederhäuten
    bekleidet, die um ihre Hüften geschlungen sind. Schamlos und unverfroren stolzieren sie hier dann auf und ab und stellen ihre bloßen Brüste zur Schau.«
    »Womit handeln sie?«
    »Ihre Packpferde sind jedesmal mit ihrer winterlichen
    Beute an Otterpelzen beladen, außerdem bringen sie noch selbstgesammelte Süßwasserperlen mit. Natürlich sind die Otterfelle nicht so wertvoll wie andere Pelze, und auch ihre Flußperlen sind nicht sehr viel wert. Da wir aber, wie gesagt, diese schrecklichen Frauen nicht verärgern wollen, verhalten wir uns außerordentlich großzügig, wenn wir mit ihnen
    verhandeln; daher kam es noch nie vor, daß sie dieses Dorf angegriffen oder die Bauernhöfe in der Umgebung
    geplündert haben.«
    »Ihr wißt also gar nicht, ob ihr prahlerisches
    Herumstolzieren nicht nur eine reine Drohgebärde ist«, sagte ich skeptisch. »Was immer sie früher auch gewesen sein mögen, vielleicht sind sie inzwischen so schwach und zahm wie kleine Kätzchen.«
    »Das bezweifle ich«, wandte er ein. »Als ich jünger war, brachte ich einmal mit ein paar anderen Männern zusammen auf der Straße da drüben ein Pferd zum Stehen, das mit seinem Reiter durchgegangen war. Es kam direkt aus dem Osten ins Dorf galoppiert, und sein Reiter starb, kurz nachdem wir ihm vom Pferd geholfen hatten. Er erzählte uns nicht, was ihm bei den Pozorzheni widerfahren war und wie er ihnen schließlich entkam - er konnte es nicht mehr
    erzählen, denn ihm war die Zunge herausgerissen worden; er hielt sie in der Hand. Sein verzweifelter Ritt hierher muß furchtbar schmerzhaft gewesen sein, denn sein Körper
    bestand nur noch aus rohem Fleisch. Man hatte ihm die
    ganze Haut vom Körper gezogen. Daß es sich um einen Mann handelte, erkannten wir nur noch an seinen
    Geschlechtsteilen, die er in der anderen Hand hielt.«
    Als ich schließlich wieder in unserer Herberge eintraf, um mir dort eine Mahlzeit zu bestellen, war das Haus gerade völlig überfüllt. Die Herberge verfügte über keinen
    geräumigen Speisesaal mit vielen einzelnen, weit genug auseinander stehenden Liegen. In dem nicht allzu großen Raum, in dem das Essen serviert wurde, standen nur
    mehrere lange Brettertische und Holzbänke, die man nun eng aneinandergeschoben hatte. Ich zwängte mich
    zwischen zwei andere Gäste auf eine Bank und stellte
    sogleich fest, daß Thor mir direkt gegenüber saß. Als sich unsere Blicke trafen, riß er seine Augen vor Überraschung weit auf. Er schreckte hoch, als wolle er sofort vom Tisch aufspringen, konnte sich jedoch in dem allgemeinen
    Gedränge nicht von der Stelle rühren.
    Ich wußte sofort, warum mein unerwartetes Erscheinen ihn so erschreckt hatte. In dem Raum roch es zwar nach vielen Menschen, nach Linsensuppe, nach heißem Brot und nach
    starkem Bier, dennoch nahm ich ganz deutlich diesen
    unverkennbaren Geruch wahr, der von Thor ausging: es war der lattichähnliche Duft der intimsten Absonderung einer Frau. Es war erst vor kurzem abgesondert worden, denn die Säfte einer Frau beginnen an der Luft nach einer gewissen Zeit nach Fisch zu riechen. Und dieser Duft stammte weder von Veleda noch von Genoveva. Thor sah möglicherweise
    meine Nasenflügel beben, denn auf seinem Gesicht lag jetzt wieder dieser Ausdruck echter Angst, und seine Augen
    schweiften so hektisch durch den Raum, als suche er einen Fluchtweg. Die vielen Menschen im Raum schienen ihm
    jedoch seine Sicherheit zurückzugeben, denn er setzte
    sogleich wieder sein einschmeichelndes Lächeln auf. Die Worte, die er mir dann über den Tisch hinweg zuwarf,
    konnte ich trotz des allgemeinen Lärms gerade noch
    verstehen: »Diesmal hast du mich erwischt, bevor ich mich in den Thermen reinwaschen konnte. Aber würdest du mich hier töten, Thorn? Wo so viele Menschen sind? Der Aufruhr hier wäre so groß, daß er deinem König und all deinen
    sonstigen Freunden bestimmt zu Ohren käme.«
    Er hatte recht. In diesem Augenblick konnte ich ihm
    wirklich nichts tun. Mir war inzwischen erneut der Appetit vergangen, also zwängte ich mich zwischen meinen beiden Tischnachbarn hervor, die mich wegen meiner Grobheit
    verfluchten, und bahnte mir mit meinen Ellbogen den Weg durch die Menge, von der ich noch weitere Flüche erntete.
    Als ich draußen war, stürmte ich zum Stall, denn ich konnte es kaum erwarten, Made in die Finger zu

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