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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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verdächtig vorkommen könnte. Es
    wurde langsam dunkel, und die Frauen saßen oder lagen
    schon alle untätig auf der Lichtung herum und leckten sich vor Vorfreude die Lippen. Den jungen Mädchen und den
    Kindern lief sogar schon der Speichel aus dem Mund. Alle schnupperten immer wieder in die Luft und sogen gierig den aus den Kesseln aufsteigenden Duft durch die Nase. Einige der Frauen warfen sich gegenseitig witzige Bemerkungen zu und lachten immer wieder schrill auf. Sie fanden es
    besonders spaßig, daß ihre Schwester Roshan, die eine von ihnen noch vor kurzem als »Sau« bezeichnet hatte, nun
    ganz ähnlich duftete wie ein guter, gekochter Keiler.
    Als das Essen so gut wie fertig war, kam Ghashang zu
    Mutter Liebe gerannt, um ihr zu berichten, daß der neue Sklave aus seiner Ohnmacht erwacht sei, sich jedoch noch im Delirium befände und nur Unsinn von sich gebe.
    »Er sagt die ganze Zeit nur ›zwischen meinen Beinen...
    schaut zwischen meine Beine‹. Ich habe gar keine Lust, ihm zwischen seine Beine zu schauen.«
    Mir war klar, was Thor ihr damit sagen wollte, aber Mutter Liebe verstand es natürlich nicht. Sie gab nur ihr
    schepperndes Lachen von sich und sagte: »Er vermißt
    seinen Schwanz, wie? Laß ihn am besten gefesselt,
    Ghashang, aber wir werden ihm helfen, wieder zu Kräften zu kommen, indem wir ihm etwas zu essen geben.« Also
    schöpfte ich eine Portion von Roshan auf ein Platanenblatt, damit jemand ihn füttern konnte.
    Dann häufte ich ebenso großzügige Portionen auf die
    Blätter der Waliskarja, die inzwischen schon alle vor den Kesseln Schlange standen. Auch die Kinder, die an mir
    vorbeiwatschelten oder herbeigetragen wurden, erhielten ihren Teil. Da in dieser Nacht ein Fest gefeiert wurde, waren alle Frauen des Stammes anwesend. Niemand mußte
    Wache halten. Trotzdem hatte ich gedacht, daß Roshans
    gewichtiger Kadaver ausreichen würde, um weniger als
    dreißig Frauen und ungefähr halb so viele junge Mädchen und Kleinkinder mindestens zwei Tage lang satt zu machen.
    Ich hatte mich geirrt. Sie schlangen ihre erste Portion schnell und gierig hinunter und schrieen nach mehr. Ich schöpfte alle Kessel leer, dann gab ich ihnen die blanken Knochen zum Zernagen, und schließlich kratzte ich sogar noch den allerletzten Rest an geronnenem Fett zusammen, um auch den noch zu verteilen. Die Frauen waren so sehr mit Essen beschäftigt, daß keine darauf achtete, ob ich aß oder nicht.
    Als alles restlos verschlungen war, saßen die Schwestern eine Zeitlang herum und rülpsten; die eine oder andere lobte sogar meine Kochkünste. Dann befahl mir Mutter Liebe, die Hanfration für diese Nacht zu holen und sie auf die Feuer zu streuen. Und ich solle nicht vergessen, daß an diesem
    Abend mehr benötigt würde als sonst, da die Wachen
    ebenfalls noch unter uns weilten. Ich hatte noch etwas Kreuzkraut und Borretsch aufgehoben und mischte den Rest dieser Krauter nun unter die Hanfblätter, denn ich wollte sichergehen, daß die Dosis für die Waliskarja nicht zu gering war. Dann setzte ich mich ins Dunkle und wartete ab. Die Wirkung der Krauter ließ jedoch nicht allzu lange auf sich warten.
    Kurz nachdem sie zum ersten Mal den Rauch tief
    eingeatmet hatten, fielen die Frauen, die auch sonst
    schneller auf den Hanf angesprochen hatten, bereits um und begannen zu schnarchen. Das galt auch für die Kinder.
    Diejenigen, die an den anderen Abenden rauhe Gesänge
    angestimmt hatten oder plump umhergetanzt waren, sangen und tanzten auch diesmal, jedoch immer lauter und
    besessener, bis sie schließlich beinahe so wild
    herumschrieen und umherhüpften wie die Bacchantinnen,
    die ich früher einmal beim Feiern beobachtet hatte. Die Frauen, die sonst nur herumgesessen und Unsinn geredet hatten, begannen zuerst laut zu jammern und dann zu
    bellen; aus ihrem Gekläffe entwickelte sich bald ein
    handfester Streit, bis sie schließlich mit Schaum vor dem Mund aufeinander losgingen. Sie schlugen und kratzten
    sich, rauften sich am Boden und rissen einander die Haare aus. Mutter Liebe versuchte zunächst, den Streit zu
    schlichten, indem sie nachsichtig mit ihren Töchtern schalt, bald darauf war sie jedoch selbst in ein Knäuel von fünf Frauen verwickelt, kreischte noch lauter, und trat und schlug noch heftiger und verbissener um sich als alle ändern. Hier und dort wurden auch Frauen niedergeschlagen; keine von ihnen machte sich jedoch die Mühe, wieder aufzustehen; alle blieben einfach dort liegen, wo sie hingefallen

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