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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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waren, und begannen zu schnarchen...
    Ich war mir sicher, daß früher oder später alle anderen ebenfalls schnarchen würden, wartete jedoch nicht ab, bis es soweit war, denn die Frauen nahmen mich schon lange nicht mehr wahr und achteten gar nicht darauf, was ich tat.
    Wenn der Borretsch und das Kreuzkraut so wirkten, wie ich es erwartete, dann würden die Waliskarja am nächsten Tag noch genauso verrückt und verwirrt sein wie jetzt;
    möglicherweise würde dieser Zustand sogar ein paar Tage anhalten. In dieser Zeit würden keine Wachen mich
    aufhalten oder meine Flucht melden. In aller Ruhe
    verwandelte ich mich nun wieder von Veleda in Thorn. Ich war sehr froh, endlich die Kleider Thorns aus ihrem Versteck hervorholen zu können, denn nachts war es inzwischen zu kühl, um mit bloßem Oberkörper herumzulaufen. Ich packte alle meine Habseligkeiten zusammen, ging zu dem Platz, an dem die Pferde angebunden waren, sattelte Velox und belud das neue - Thors - Pferd mit meinem Gepäck. Dann stieg ich in den Satte! und ritt langsam von dannen.
    Nein, ich war nicht mehr zu der Gestalt hinübergegangen, die früher einmal Thor und Genoveva gewesen war, um ihr ein paar Worte der Schadenfreude oder des Abschieds
    zuzuwerfen. Ich hatte zwar verhindert, daß man sie sofort tötete und abhäutete, aber nicht aus Gnade, Reue oder
    Vergebung, und auch nicht um der engen Bande willen, die einmal zwischen mir und dieser Person, oder besser diesen Personen, bestanden hatten, sondern weil mir bewußt war, daß es keine schrecklichere Strafe für einen Missetäter gab, als ein Leben lang der Sklave dieser abscheulichen
    Waliskarja zu sein.
    Was mit ihm geschehen würde, ließ sich schwer sagen.
    Wenn die Frauen ihre Geistesverwirrung überwunden
    hatten, würden sie sicherlich sehr wütend auf mich sein und ihren Zorn möglicherweise an dem Gefangenen auslassen.
    Wenn sie ihn nicht auf der Stelle umbrachten, würden sie vielleicht schließlich doch entdecken, was sich zwischen seinen Beinen befand, und was sie dann tun würden, war wirklich nicht vorauszusehen. Und was würde wohl
    geschehen, wenn der Kutrigurer eintraf, um seine Aufgabe zu erfüllen?
    Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, irgendwelche
    Mutmaßungen anzustellen. Es interessierte mich nicht im geringsten, was aus den Frauen und ihrem Gefangenen
    werden würde. Ich war vielleicht nur eine halbe Frau, konnte mich jedoch ebenso herzlos und kalt verhalten wie eine richtige. Ich hatte also keinerlei Skrupel, als ich, ohne mich umzudrehen und ohne einen weiteren Gedanken an die
    Zurückgebliebenen zu verschwenden, einfach in die dunkle Nacht hineinritt.
    11
    Kurze Zeit später stieß ich auf den Bug und folgte ihm zuerst durch dichte Wälder und dann durch unwirtliche, feuchtkalte Sumpfgebiete nach Norden. Ich war wirklich froh, als ich nach langer Zeit endlich ein Dorf erreichte, obwohl es fast ausschließlich von Slowenen bewohnt war und nur über eine dementsprechend schäbige Krchma verfügte. Das hier gesprochene Slowenisch enthielt noch mehr widerliche
    Spucklaute als das anderer Stämme, daher kann ich den
    Namen des Dorfes nur schriftlich wiedergeben: es hieß
    Bsheshch. Dennoch schien es sich bei seinen Bewohnern, die sich selbst Polen nannten, um einen etwas höher
    entwickelten slowenischen Stamm zu handeln, denn sie
    hatten zwar auch die für dieses Volk charakteristischen breiten Gesichter, waren jedoch größer gewachsen, hatten eine hellere Haut und hellere Haare, und waren sogar
    ziemlich reinlich. Außer mir übernachteten in der Krchma nur Flußschiffer, die sich hier in Bsheshch aufhielten, um ihre Fracht zu löschen und ihre Schiffe anschließend neu zu beladen, denn der Ort war der wichtigste Hafen am Bug. Da ich es wirklich leid war, weiterhin durch diese morastige Landschaft zu reiten, wurde ich mit dem Besitzer eines Frachtkahns schnell handelseinig. Er nahm mein Packpferd in Zahlung und war dafür bereit, mich und Velox auf seinem Schiff direkt bis zum Wendischen Golf zu bringen.
    Die Besatzung ließ den großen, flachen Kahn, der mit
    Flachs, Pelzen und Häuten beladen war, nicht einfach den Fluß hinuntertreiben, sondern beschleunigte seine Fahrt zusätzlich noch mit Stangen und Rudern. Zu Pferd wäre ich lange nicht so schnell vorangekommen. Erst als wir drei oder vier Tagesreisen von Bsheshch entfernt waren, kam mir der Gedanke, den Schiffer nach den Rugiern zu fragen, in deren Gebiet der Fluß uns ja trug. Ich war wie vom Blitz getroffen,

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