Der Greif
gelegenen Hauptstadt der Rugier, anlegte, wurde ich von zwei alten Hafenbeamten gefragt, wer ich sei. Ich stellte mich ihnen als König Theoderichs Marschall Saio Thorn vor und zeigte ihnen - in der Gewißheit, daß sie nicht lesen konnten - das Dokument, das ich bei mir führte. Ich verschwieg ihnen allerdings, welcher Theoderich mein König war, und als ich behauptete, ich sei gekommen um ihrer Königin Giso dafür zu danken, daß sie meinem König ihre Rugier zu Hilfe geschickt hatte, sorgten sie dafür, daß ich meinem Rang entsprechend in einem kleinen Haus auf dem Gelände des königlichen
Palastes untergebracht wurde. Auf diese Weise hatte ich Gelegenheit, mir schon vor der Audienz bei Königin Giso ein Bild vom rugischen Königshaus zu machen. Die Ausstattung der Räume sollte prunkvoll wirken, war aber alles andere als erlesen; auch das Essen, das mir von ebenso schlecht
ausgewählten Bediensteten serviert wurde, ließ einiges zu wünschen übrig. Meine königliche Gastgeberin machte diese Mängel allerdings nicht durch eine ausgewählte Höflichkeit wett; sie lehnte es hochmütig ab, mich noch am selben Tag zu empfangen.
Als ich am nächsten Tag in Gisos Palast geführt wurde, bestätigte sich meine Vermutung, daß diese Königin
vornehmer erscheinen wollte als sie in Wirklichkeit war. Der Thronsaal strotzte fast schon vor falscher Pracht, und die Königin sprach zwar die alte Sprache, bediente sich jedoch eines betrüblich bäuerlichen Dialekts. Auch ihr Schmuck und ihre Kleider waren nicht besonders kostbar. Dennoch
empfing sie mich, als wäre sie Kaiser Zeno in seinem
Purpur-Palast. Da ihr ebenfalls anwesender Sohn erst
ungefähr neun Jahre alt war, mußte sie noch ziemlich jung sein. Trotzdem benahm sie sich so geringschätzig wie eine ältliche Matrone, die sich durch die Anwesenheit eines bartlosen Jugendlichen belästigt fühlt. Vielleicht lag es daran, daß sie nicht besonders hübsch war - ihre großen Zähne standen so weit hervor, daß sie nur mit Mühe ihre Lippen richtig schließen konnte.
»Was genau wollt Ihr von uns, Marschall?«
Ich zog mein Pergament hervor, aber sie winkte ab, als wolle sie mir andeuten, daß der Inhalt des Dokuments sie wenig interessiere; ihre Geste bewies mir jedoch lediglich, daß sie nicht lesen konnte. Nichtsdestoweniger nahm sie weiterhin protzig den Pluralis majestatis für sich in Anspruch.
»Wir haben vernommen, daß unser Vetter Theoderich
Triarius Euch geschickt hat. Hoffentlich habt Ihr nicht den Auftrag, uns um weitere Unterstützung zu bitten.«
Ich war einen Augenblick lang versucht, ihrem
aufgeblasenen Gehabe den Wind aus den Segeln zu
nehmen, indem ich ihr erzählte, welchem Theoderich ich in Wirklichkeit diente, und indem ich ihr vor allem enthüllte, daß die Rugier auf ihre Veranlassung hin im Begriff waren, ihre
»Unterstützung« dem falschen Theoderich zukommen zu
lassen. Bevor ich jedoch etwas sagen konnte, fuhr sie schon fort: »Wir haben bereits jeden Mann losgeschickt, der älter und kräftiger ist als unser Sohn Frido hier; mit Ausnahme der Slowenen natürlich, da diese Wracks als Krieger völlig unbrauchbar sind.« Der Junge machte ein
niedergeschlagenes Gesicht; er war offensichtlich nicht allzu glücklich darüber, noch nicht zu den Kriegern gezählt zu werden. »Und wir haben einen großen Teil unseres
Staatsschatzes verbraucht, um diese Armee für Euch
auszurüsten. Wenn Ihr also gekommen seid, um uns um
Männer, Gelder oder Waffen zu bitten, Marschall, dann ist diese Audienz hiermit beendet und Ihr habt unsere Erlaubnis zu gehen.«
Obwohl ich bisher noch gar nicht zu Wort gekommen war, hatte sie sich bereits von ihrem Thron erhoben. Sie stand jetzt auf dem Thronsockel, schaute hochnäsig auf mich
herab und zog gleichzeitig ihren Sohn so eng an sich heran, als wolle sie verhindern, daß ich ihn von ihrer Seite riß und in den Krieg schickte. Ich widerstand der Versuchung, ihr die Wahrheit zu erzählen, denn mir war klar, daß diese Königin mit schlichten Tatsachen nicht zu überzeugen war. Ein
Appell an ihre Vernunft hätte sie kaum dazu gebracht, sich statt mit dem falschen von nun an mit dem richtigen
Theoderich zu verbünden. Eine so starrköpfige und eitle Frau wie sie würde nicht einmal dann einen Fehler zugeben oder sich gar um dessen Berichtigung bemühen, wenn das Leben ihres Gemahls und das aller von ihm angeführten
Krieger auf dem Spiel stünde Daher sagte ich nur
salbungsvoll: »Erlauchte Königin,
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