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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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»würde ich meine Frau Ariadne senden, oder den Eunuchen Myros, oder die Palastkatze. Eben weil es nicht einfach ist, bitte ich einen starken Krieger.«
    »Und ich glaube, daß die Mission erfolgreich verlaufen wird, Hoheit. Euch sollte nur bewußt sein, daß es nicht über Nacht geschehen kann. Mein eigenes ostgotisches Heer
    wird dazu nicht ausreichen, selbst wenn König Fewas Rugier mich unterstützen. Ich muß mehr Streitkräfte heranziehen, Odoaker wird davon erfahren und seinerseits...«
    »Ich werde es Euch noch schwerer machen«, unterbrach
    ihn der Kaiser. »Da Ihr von zusätzlichen Streitkräften sprecht: Ihr werdet doch wohl nicht mit den donauländischen Legionen rechnen, die derzeit unter Eurer Befehlsgewalt stehen?«
    »Natürlich nicht«, gab Theoderich steif zurück. »Wir
    können nicht römische Legionen gegeneinander
    marschieren lassen. Das würde spalten, was vom Reich
    noch vorhanden ist.«
    »Genau aus diesem Grunde muß ich Euch noch eine
    Bedingung auferlegen: Wenn Eure Soldaten von Novae
    nach Italien marschieren, werden sie nicht von dem Land leben, solange sie sich auf oströmischem Boden befinden.
    Wenn Ihr die östlichen Provinzen durchquert, werdet Ihr von der Bevölkerung weder Abgaben noch Marschverpflegung
    verlangen. Erst wenn Ihr in Pannonien den Boden des
    einstigen Westlichen Imperiums betretet, ist es Euren
    Truppen erlaubt, das Land zu plündern und zu verheeren.«
    Theoderich runzelte die Stirn. »Das würde heißen, daß wir für eine Strecke von dreihundert römischen Meilen Vorräte mitführen und deshalb die nächste Ernte abwarten müssen.
    Wegen unseres späten Aufbruchs wird es Winter sein, wenn wir in Pannonien ankommen, und wir werden gezwungen
    sein, dort zu überwintern. Dann sind es immer noch
    vierhundert Meilen bis zur italienischen Grenze. Es kann Sommer werden, bis wir auf Odoakers Truppen stoßen -
    oder bis diese uns aufspüren.«
    »Ihr habt mir gesagt, ich solle keinen schnellen Erfolg erwarten«, antwortete Zeno achselzuckend.
    »Also gut«, gab Theoderich zurück und warf sich in die Brust. »Ich kenne nun meine Mission und weiß, welches Ziel ich zu erreichen habe. Ich sehe ein, daß gewisse
    Einschränkungen notwendig sind. Nun, Hoheit, darf ich
    erfahren, was ich im Falle eines Sieges gewinne?«
    »Alles. Die Halbinsel Italien. Ganz Latium, von wo aus sich das größte Reich, das die Welt je gekannt hat, entwickelte.
    Die Ewige Stadt Rom, welche einst die Welt bedeutete. Die kaiserliche Hauptstadt Ravenna. Andere reiche Städte
    Italiens und all die reichen Lande dazwischen. Schafft Odoaker rex beiseite und Ihr werdet Theodoricus rex.«
    »Rex... rex...« wiederholte Theoderich nachdenklich. »Der Titel ist überflüssig. Mein Name Thiudareichs enthält ihn schon.«
    Zenos Übersetzer hatte Schwierigkeiten mit diesem
    Wortspiel und wurde noch nervöser, als er Theoderichs
    nächste kühne Frage wiedergab: »Und ich selbst, Hoheit?
    Was werde ich dann sein? Euer Verbündeter, Euer
    Untergebener oder Euer Sklave?«
    Der Kaiser sah Theoderich einen Augenblick lang streng an. Doch dann wurde sein steinerner Gesichtsausdruck
    weicher, und er sagte freundlich: »Wie Ihr bemerktet, sind Titel oft fragwürdig und ein wohlfeil Ding. Wir wissen beide sehr wohl, daß Ihr der einzige seid, der diese Mission für mich erfüllen kann. Also werde ich keine Ausflüchte
    gebrauchen. Wenn es Euch gelingt, Odoaker die italische Halbinsel zu entreißen, werdet Ihr sie auch regieren. Als mein Gesandter, mein Stellvertreter, als Verwalter an des Kaisers Statt. Ich werde mich nicht in Eure Regentschaft einmischen. Wenn Ihr wollt, macht daraus das neue Reich der Ostgoten. Es ist viel fruchtbarer, viel schöner, viel wertvoller als die Ländereien, die Euer Volk in Moesien beansprucht. Was immer Ihr auch aus dem eroberten Land macht - selbst wenn Ihr das Westliche Imperium in all seiner Größe und Macht wiederherstellen solltet -, es wird Euch gehören. Zwar werdet Ihr in meinem Namen regieren, aber Ihr werdet regieren.«
    Theoderich nahm sich Zeit, um über das Gehörte
    nachzudenken. Dann nickte er, lächelte, neigte den Kopf vor dem Kaiser, machte uns anderen ein Zeichen, dasselbe zu tun, und sagte: »Habai ita swe. Eithe houto nai. So sei es.«
    Auf unserem Rückweg nach Moesien trennten wir uns in
    Hadrianopolis. Theoderich, Soas, Pitzias und Herduich
    nahmen jeder einen Teil unserer Truppen mit und
    schwärmten von West nach Ost in verschiedene Richtungen aus, um in

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