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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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jedem Stamm, Gau und in jeder Sippschaft neue Rekruten für unser Heer auszuheben. Mit nur zwei
    Dienstmannen reiste ich selbst geradewegs nach Novae,
    weil Theoderich mich gebeten hatte, meine Arbeit an der gotischen Geschichte wieder aufzunehmen. Wenn er bald, wie er sich ausdrückte, Monarch über mehr würde, als er ohnehin schon sei, dann wünsche er, daß die Geschichte seines Volkes und der Stammbaum seiner Familie von allen zeitgenössischen Monarchen entsprechend gewürdigt
    werden könne.
    Als unser Heergefolge schließlich bereit war, sich gen Italien in Bewegung zu setzen, zählte es mit den
    Neukriegern und den Veteranen etwa
    sechsundzwanzigtausend Mann. Zusammen mit König
    Fewas achttausend Rugiern besaß Theoderich somit eine
    Streitmacht von vierunddreißigtausend Fußsoldaten und
    Reitern - mehr als acht reguläre römische Legionen. Doch es erforderte noch mehr Zeit, eine solche Zahl von Kriegern zu rüsten, und Theoderich stürzte sich, sobald er wieder in Novae ankam, in die Vorbereitungen zum Aufbruch.
    Das gesamte Heer mußte in leichter zu befehligende
    Einheiten wie Legionen, Kohorten, Zenturien,
    Zeltgemeinschaften und Schwadronen aufgeteilt werden und für jede Organisationsebene mußten Befehlshaber ernannt werden. Die frisch ausgehobenen Rekruten bedurften der Ausbildung, und diejenigen, die zwar erfahrener waren, jedoch schon eine Weile nicht mehr gekämpft hatten,
    mußten nochmals zur Übung in der Handhabung der Waffen unterwiesen werden. Für Soldaten, die kein Reittier
    besaßen, mußten Pferde aufgetrieben und abgerichtet
    werden, manche mußten erst noch zugeritten werden. Für den Marschproviant mußten Karren beschafft und neue
    gebaut werden. Seilwinden wurden geflochten und für die Wurfmaschinen eichene Balken geschnitten; zum Ziehen der schweren Karren wurden Ochsen gebraucht. Männer
    mußten mit Rüstungen ausgestattet werden, in manchen
    Fällen sogar mit Stiefeln und Kleidern. Schwerter, Speere und Messer wurden als Ausrüstung für die Krieger und als Ersatzwaffen angefertigt. Zahllose Pfeile wurden mit Spitzen versehen und befiedert, und zusätzliche Bogensehnen
    wurden gedreht und gespannt. Jedermann mußte mit genug Proviant versorgt werden sowohl hier im Lager als auch auf dem Marsch. Die Männer, die nicht der Ausbildung oder der Übung mit Kriegswaffen bedurften, wurden zur Einbringung der Ernte oder zum Schlachten eingeteilt. Als dann das Korn gedroschen, geworfelt und in Säcke gefüllt war, als Wein, Öl und Bier in Fässer gefüllt und das Fleisch getrocknet, geräuchert oder gesalzen war, verteilte Theoderich diese Vorräte wie einst König Fewa. Kähne brachten Ladungen mit Lebensmitteln stromaufwärts und deponierten sie nach und nach entlang unserer Wegstrecke.
    Die Geschäftigkeit und das Getriebe konnten natürlich
    nicht im geheimen vonstatten gehen, so daß Odoaker
    seinerseits Vorbereitungen traf, und auch diese blieben keinem verborgen. Reisende, die aus dem Westen kamen,
    berichteten uns, daß Truppen aus allen Teilen Italiens nach Norden rückten. Unsere militärischen Kundschafter, die diese Bewegung ausspionieren sollten, berichteten etwas ausführlicher, daß die Größe der Truppen ungefähr der
    unsrigen entspreche und daß sie sich in einer
    Verteidigungsposition sammelten. Die unsichtbare
    Trennungslinie zwischen dem Westlichen und dem Östlichen Imperium in der Provinz Pannonien war nicht genau
    festgelegt, und schon immer hatten beide Reiche versucht, diese Grenze zu ihrem jeweiligen Vorteil zu verschieben.
    Odoaker hätte jedes Recht gehabt, von den italischen
    Provinzen aus zumindest halbwegs nach Pannonien hinein vorzurücken und uns dort zu konfrontieren. Doch den
    Berichten nach zu urteilen befahl er seine Truppen viel weiter weg an die östliche Grenze der östlichsten Provinz Venetien, entlang des Isonzo, der von der Julischen Alp bis zum Adriatischen Meer fließt.
    Nachdem er diese Berichte erhalten hatte, berief
    Theoderich eine Versammlung ein, um die Lage zu
    besprechen. Der Rat bestand aus ihm selbst, den
    Marschällen Soas und mir, den Generälen Ibba, Pitzias und Herduich, seinem Verbündeten Fewa und dessen Sohn
    Frido, der nun endlich einen Krieg zu sehen bekam, wie ich es ihm schon lange versprochen hatte.
    Theoderich hüb an: »Odoaker hätte beschließen können,
    uns im wilden Pannonien anzugreifen, weitab von Rom, was uns vielleicht davon hätte abhalten können, die geweihte Erde zu entheiligen. Stattdessen versperrt

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