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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Stammes, und viele waren weit gereist, uns zu
    treffen. Es war eine Plage, sie in ein bereits organisiertes Heer zu integrieren, und die Offiziere, deren Aufgabe das war, knirschten mit den Zähnen, doch Theoderich lehnte keinen der neugewonnenen Verbündeten ab. Im Gegenteil, er scheute keine Mühe, sie als unsere Kameraden zu
    begrüßen. Jedesmal, wenn eine ansehnliche Truppe
    beieinander war, hielt er ein Ritual ab, in dessen Verlauf sie ihm und er ihnen die Treue schwor. Auch die arianischen Geistlichen, die unser Heer begleiteten, knirschten mit den Zähnen: Wie ich wohl wußte, nahm unser König seinen
    Glauben nicht sehr ernst. Und da die meisten unserer
    Neukrieger der heidnischen Religion anhingen, schwor
    Theoderich entgegenkommend seinen Eid auf den
    heidnischen Kriegsgott Wotan.
    Diese ersten zweihundertundvierzig Meilen brachten uns schließlich nach Singidunum, wo die Save in die Donau
    mündet. Am Flußufer entlang schlugen wir unser Lager auf und blieben einige Tage, teilweise, um unsere Vorräte von diesem oder jenem wieder aufzustocken, teilweise, um den Truppen die Gelegenheit zu geben, aus den
    Annehmlichkeiten der Stadt Nutzen zu ziehen. Singidunum war nun von der Legio IV Flavia belegt, und während wir in der Nähe der Stadt lagerten, gingen viele Soldaten dieser Legion zu Theoderich über.
    In Singidunum hatte ich meinen ersten richtigen Kampf
    erlebt, und als ich durch die Straßen der Stadt ging, hatte ich das Gefühl, als gehörten sie mir. Mein Begleiter, Prinz Frido, war noch aufgeregter als ich, denn ich hatte ihm alles über die Belagerung von Singidunum und den Sieg über die
    Sarmaten und König Babai erzählt, als wir auf dem Weg
    nach Novae mit dem Kahn an der Stadt vorbeigefahren
    waren.
    »Jetzt, Saio Thorn«, rief er eifrig, »jetzt müßt Ihr mir alles zeigen, was Ihr mir beschrieben habt.«
    »Also gut«, sagte ich, als wir durch die Straßen gingen.
    »Dort vor uns sind die Tore, die von unseren Trompeten von Jericho gesprengt wurden. Sie wurden mittlerweile wieder aufgebaut.«
    Etwas weiter erklärte ich: »Hier spießte ich einen
    schuppenbepanzerten sarmatischen Krieger auf, und dort drüben schlitzte Theoderich dem Verräter Camundus den
    Bauch auf. Von der Mauer dort wurden die Leichen
    hinuntergeworfen und verbrannt, und hier ist das Zentrum der Stadt, wo wir unseren Sieg mit einem Festmahl
    feierten.«
    Doch schließlich sagte ich: »Ich danke dir, mein Freund, daß ich dich mit den Erinnerungen eines alten Haudegens unterhalten durfte. Jetzt laß mich allein und amüsiere dich auf eigene Faust. Ich will erforschen, wo ein alter Krieger hier Zerstreuung finden kann.«
    Frido lachte verständnisvoll und ging allein weiter.
    Von Singidunum aus führte unser Marsch am Nordufer der Save entlang, was hieß, daß wir nun in der Provinz
    Pannonien waren und plündern konnten, wie wir wollten, ohne irgendwelche Abmachungen zu verletzen. Doch wir
    fanden nur wenige Menschen, die wir ausplündern konnten, und selbst diese hatten nicht viel. Unser Ruf war uns
    vorausgeeilt, und es war schon lange sprichwörtlich, daß ein Volk auf der Wegstrecke eines anrückenden Heeres nur
    eine Alternative hat: fliehen oder fasten. Die Bauern, die ihre Ernte eingebracht hatten, hatten beschlossen zu fliehen und ihre Erzeugnisse und Herden mitgenommen. Doch wir
    besaßen noch genug Proviant. Kähne voller Lebensmittel warteten in regelmäßigen Abständen an der Save entlang auf uns, es gab immer noch genug Wild, und am Ufer
    entlang wuchs zwar trockenes, aber genügend Gras für
    unsere Pferde.
    Achtzig Meilen stromaufwärts von Singidunum näherten
    wir uns der Stadt Sirmium, und Theoderich schickte einen Herold voraus mit der Warnung, die noch von unseren
    plündernden Vorfahren stammte: »Tributum aut bellum!
    Tribut oder Krieg!« Obwohl der größte Teil unseres Heeres die Stadt noch nicht einmal erblickt hatte, blies der Wind in unsere Richtung, und wir schnappten alle verzweifelt nach Luft und würgten und fluchten, denn die Stadt stank
    schrecklich. Bald fanden wir heraus, warum. Die Landschaft um Sirmium schien sich vorzüglich zur Schweinezucht zu eignen, deshalb war die Stadt das Schlachthaus ganz
    Pannoniens - vielleicht sogar Europas - Sie exportierte Schweinefleisch, Schweinsleder, Schweineborsten und alle anderen Produkte, die mit Schweinen zu tun haben.
    Vorsichtigerweise hatte die Stadt eingewilligt, Tribute abzugeben, doch wir wurden natürlich nicht gerade freudig begrüßt,

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