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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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viele Pferde Floße zu
    bauen, dann sollten wir sie in diesem Glauben lassen.«
    »Und was werden wir inzwischen tatsächlich tun?«
    »Mit voller Kraft angreifen«, sagte Theoderich, als wir wieder aufsaßen und denselben Weg zurückritten, den wir gekommen waren. »Ich habe mich entschieden. Morgen früh kurz vor Tagesanbruch werde ich meine Herausforderung
    verkünden. Dann beginnt die Schlacht.«
    Es war nicht Odoaker, sondern der romanisierte Rugier
    Tufa, der Theoderich auf der Isonzobrücke gegenübertrat.
    Nachdem beide Männer auf traditionelle Weise ihre
    Herausforderung verkündet und sich offiziell den Krieg erklärt hatten, zog sich Tufa wieder auf seinen Posten am Ende der Brücke zurück. Theoderich blieb, wo er war, zog sein Schwert und schwang es mit gestrecktem Arm, indem er gebieterisch »Impetus!« rief. Doch Ibba führte uns Reiter noch nicht zum Angriff. Statt des Donnerns von Pferdehufen hörten wir laute, donnerartige Knalle hinter uns, danach in Abständen erderschütternde, dumpfe Aufschläge und
    danach wiederum ein Geräusch, das an das Rauschen
    gewaltiger Flügel erinnerte. Das fahle Licht des Morgens war plötzlich hell erleuchtet von einer Kaskade feuriger Meteore, die von irgendwo hinter uns durch die Luft sausten und funkensprühend am anderen Ende der Brücke explodierten.
    Diese glühenden Gegenstände in Rauch-
    und
    Funkenwolken waren natürlich keine Feuerkugeln, die vom Himmel fielen. Es waren Wurfgeschosse, die von den
    Ballisten und Onagern, welche in den Wäldern hinter uns in Stellung gebracht waren, abgeschossen wurden - genauer gesagt waren es Felsblöcke, die in trockenes Gezweig
    gehüllt, in Öl getränkt und kurz vor dem Abschuß
    angezündet wurden. Der Geschoßhagel über uns riß nicht ab, da Friderichs Mannen flink die Wurfarme ihrer
    Belagerungskatapulte spannten, aufluden und erneut
    abfeuerten. Eine Balliste, die beim Abschuß die Spannung ihrer eng zusammengedrehten Seilwinden entlädt, kann
    einen Felsbrocken mit dem Gewicht von zwei erwachsenen Männern zwei Stadien weit katapultieren. Ein massiver
    Onager kann beim Hochschnellen des Wurfarms dasselbe
    Gewicht über die doppelte Distanz schießen. Daher zielten die Ballisten auf das andere Ende der Brücke und auf die Legionen, die nördlich und südlich am Ufer entlang
    aufgestellt waren. Die Onager schössen ihre Geschosse
    weiter, in die Infanterie und Kavallerie, die auf der Lichtung zwischen dem Ufer und der westlichen Baumreihe
    zusammengezogen worden war.
    Wenn ein Geschoß eines der Vorrats- und Waffenzelte
    aus Leinwand in Brand setzte, gab es noch mehr
    Funkensprühen und Rauch. Die Schmetterlingszelte aus
    Leder, in denen jeweils acht Mann untergebracht waren, brannten nicht, aber die losgerissenen Fetzen wehten im Wind und wickelten sich um Füße und Pferdehufe. Es
    entstand solch ein Chaos, daß die Römer nicht mehr
    wußten, wo ihnen der Kopf stand, als unsere Bogenschützen auch noch einen Regen von Pfeilen und Feuerpfeilen auf sie herniedergehen ließen, und sie konnten nicht mehr als
    gesammelte Streitmacht vorgehen.
    Natürlich dauerte es nicht lange, bis sich Odoakers
    Truppen gefangen hatten. Und diesmal hatten wir es nicht mit einer unorganisierten Bande von Nomaden oder der eilig zusammengezogenen Abwehr einer wenig hilfsbereiten
    Stadt zu tun. Wir kämpften gegen die römische Armee.
    Obwohl die Römer anfänglich hohe Verluste erlitten hatten und vor unserem Angriff zurückwichen, waren sie doch
    keineswegs besiegt oder auch nur bedrängt. Über dem
    Kampfeslärm, dem Gebrüll der Soldaten und Tiere, dem
    Geräusch aufeinandertreffender Waffen, Schilde und
    Rüstungen, dem Aufprall von Wurfgeschossen und dem
    Dröhnen vieler Stiefel und Pferdehufe war das Schmettern römischer Trompeten zu hören, die das »Ordinern!« bliesen und damit ihre Schwadronen, Dekaden und Zenturien um
    ihre jeweiligen Standarten und Befehlshaber
    zusammenriefen. Auch in der Ferne waren Trompeten zu
    hören, die von den langen, am Ufer des Isonzo postierten Reihen Verstärkung herbeiriefen. Sobald die Römer sich jedoch von ihrer ersten Niederlage erholt hatten, kämpften sie beherzt und weitaus verbissener als sonst - vermutlich waren sie beschämt, daß man sie vor den Wurfgeschossen hatte fliehen sehen -, und es lag auf der Hand, daß wir in einen bedeutenden Kampf verwickelt waren.
    Es ist durchaus möglich, daß ich im Kampfgetümmel mit
    so angesehenen Gegnern wie Odoaker oder Tufa die
    Klingen

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