Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
bevor die Sonne unterging.
    Dann lagen mehr als zweitausend Männer - größtenteils
    Skiren und Sarmater - niedergestreckt auf dem Schlachtfeld, und die meisten davon rührten sich nicht mehr. Theoderich nahm keine Gefangenen und verschwendete auch nicht die kostbare Zeit und das Können seiner Heilkundigen für den verwundeten Feind, so daß unsere Fußsoldaten rasch alle verletzten Gegner, die noch ein Lebenszeichen von sich gaben, ins Jenseits beförderten. Doch unser Heer blieb noch lange genug, um nach altem Brauch unsere eigenen
    Gefallenen geziemend zu begraben. Friderich war in der Nähe auf ein Dorf namens Andautonia gestoßen, das
    ungefähr einhundert Einwohner zählte. Dort verpflichtete er jeden Mann und jede Frau und trieb sie auf das blutige Schlachtfeld mit dem Befehl, alle gefallenen Sarmaten und Skiren zu begraben oder sich ihrer sonstwie zu entledigen, und unser Heer brach ohne weitere Verzögerung wieder auf.
    Mitte Juli kamen wir bei großer Hitze in Aemona an. Die Hauptstadt der Provinz Noricum Mediterraneum ist sehr alt -
    sie soll von dem Argonauten Jason gegründet worden sein -, und es muß dort im Frühjahr und Herbst sehr schön sein.
    Die Stadt liegt an beiden Ufern eines Nebenflusses der Save und besitzt einen einzigen kleinen Berg, von dessen Spitze aus die weiter entfernten Julischen Alpen und einige näher gelegene Berge zu bewundern sind. Leider liegt der restliche Teil der Stadt in einer von Sumpfland umgebenen Senke, so daß im Sommer die Luft verpestet und alles voller
    Insektenschwärme ist.
    Auf Aemonas einzigem Berg befand sich eine Festung, die in ihrer gewaltigen Größe dem Schatzhaus in Siscia
    nahekam. Die Bürger der Stadt hätten sicher versucht, ihre Schätze und Besitztümer dort zu verbarrikadieren, wenn nicht die Kunde, daß es Siscia nicht gelungen sei, die Plünderung abzuwehren, unserem langsam sich
    vorwärtsbewegenden Heer vorausgeeilt wäre. So
    marschierten wir ungehindert in Aemona ein, und man ließ uns resigniert an dem teilhaben, was es an Vorräten, Waren und Zerstreuungen zu bieten hatte. Davon gab es genug -
    einschließlich der Thermen, Huren und Weinstuben -, doch wir stöberten keine größeren Schätze an Gold und
    Edelsteinen auf, weil die Stadt einst von unserem Vorfahren, dem Westgoten Alarich, und danach von Attilas Hunnen
    geplündert worden war und seither nie wieder zu ihrem
    einstigen Reichtum zurückgefunden hatte.
    Schließlich ließen wir die Stadt und den Sumpf hinter uns, was ein Segen war, doch das Wetter blieb drückend schwül.
    Gott sei Dank kamen wir bald darauf an den Isonzo, der durch eine hübschere Landschaft floß, mit fruchtbaren
    Ackerflächen, Gras und Blumen. Wir waren erleichtert und froh, als wir dorthin kamen, obwohl nicht weit weg die italische Provinz Venetien beginnt, wo Odoakers Legionen uns in großer Stärke erwarteten.
    4
    Die unseren Heereskolonnen vorausreitenden
    Kundschafter waren die ersten, die einen Blick auf das Aufgebot an Streitmächten werfen konnten, das die Grenze zu Venetien verteidigte. Unauffällig spähten sie die Front von Süden nach Norden aus - das heißt, das Gebiet zwischen der Bucht von Triest, wo der Isonzo in das Adriatische Meer mündet, bis an den Fuß der Julischen Alpen, wo der Fluß entspringt - und erstatteten uns dann Meldung.
    »König Theoderich«, sagte der Optio, und man merkte,
    daß er beeindruckt war, »die Zahl der Feinde ist so groß, daß man sie kaum einschätzen kann. Sie sind vier Meilen am Westufer des Flusses entlang postiert. Die meisten
    Truppen sind natürlich am anderen Ende der Isonzobrücke konzentriert, der einzigen Brücke über den Fluß, genau auf Eurer Marschroute.«
    »Das habe ich erwartet«, entgegnete Theoderich
    gleichmütig. »Odoaker hatte schließlich genug Zeit, seine Männer um sich zu versammeln. Wie hat er die Zeit genutzt, Optio? Welche Verteidigungsmaßnahmen werden seine
    Legionen gegen uns ergreifen?«
    »Sie scheinen sich ganz auf ihre Überzahl zu verlassen«, antwortete der Späher. »Sie haben nur am Fluß entlang ihre Lager aufgeschlagen, saubere, ordentliche Reihen großer Schmetterlingszelte für die Nacht, dazwischen Schuppen mit Vorräten, Pferdekoppeln, Rüstungs-, Schmiede-und
    Kochzelte, Schweineställe und Pferche für die Schafe, die sie als Verpflegung mit sich führen, alles, was zu einem gewöhnlichen militärischen Lager gehört. Aber sie haben keine Gebäude, Mauern oder Barrikaden errichtet.«
    Theoderich nickte. »Sie

Weitere Kostenlose Bücher