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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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gehen zu Recht davon aus, daß
    dies in einen Kampf von Mann zu Mann ausarten wird. Sie wollen sich Spielraum und Bewegungsfreiheit bewahren.
    Wie steht es mit dem Flußgebiet, Optio?«
    »Von der Bucht bis zum Fuß der Alpen ist alles Flachland wie hier auch, nur haben sie an ihrem Flußufer den Wald etwa eine Viertelmeile weit ins Landesinnere hinein gerodet.
    Ob sie damit genügend Platz für das Lager schaffen wollten, oder ob sie sich Bewegungsfreiheit für die Schlacht sichern oder einfach nur Feuerholz schlagen wollten, weiß ich
    nicht.«
    »Und auf unserer Seite blieb der Wald bis zum Ufer
    stehen?«
    »Ja, König Theoderich. Wie Ihr schon sagtet, hätten sie genug Zeit gehabt, auch dieses Ufer zu roden, wenn sie gewollt hätten. Vielleicht spekulieren sie darauf, daß die Bäume Euch bei der Aufstellung Eurer Truppen hindern
    werden.«
    Theoderich nickte wieder. »Noch etwas, Optio?«
    »Ja, etwas ist uns noch aufgefallen.« Der Optio kniete nieder und zeichnete mit einem Stock zwei parallele Linien in den Sand, die den Verlauf des Flusses darstellen sollten, und ein Kreuz, das unseren augenblicklichen Standort
    markierte. »Auf der Anhöhe gen Norden errichteten sie zwei Terrassen, von denen aus sie Signale senden können. Die Feuer- oder Rauchzeichen werden den ganzen Fluß
    hinunter gut sichtbar sein.«
    »Terrassen?« fragte Theoderich. »Keine Türme?«
    »Nein, Terrassen.« Der Optio zeichnete zwei kleine
    Rechtecke am oberen Ende des Flusses ein. »Ungefähr
    hier. Sie sind nur leicht erhöht und nicht besonders befestigt, und sie sind nicht weit voneinander entfernt.«
    »Gut, gut«, sagte Theoderich. »Es scheint das alte
    polybische System zu sein. Ich reite in einer der kommenden Nächte hin und schaue mir die Signale an. Thags izvis, Optio. Auch Euren Kameraden sei gedankt. Odoaker wird
    sicher seinerseits Spähtrupps ausgesandt haben, um unser Vorrücken zu beobachten. Sie werden herausgefunden
    haben, wie viele wir sind, doch es wäre von Vorteil, wenn die Aufstellung unserer Truppen geheim bliebe. Nehmt Euch so viele zusätzliche Männer, wie Ihr braucht, Optio, und reitet nochmals aus. Räumt die Späher aus dem Wege, bevor wir den Fluß erreichen. So sei es!«
    In einer lauen Nacht bat mich Theoderich, mit ihm
    stromaufwärts zu reiten, um herauszufinden, ob der Fluß an irgendeiner Stelle zu durchwaten sei.
    Unterwegs erzählte er mir: »Weil dies gewiß der
    bedeutendste Feldzug ist, den ich je führen werde, habe ich vor nach alter Sitte den Krieg offiziell zu erklären, bevor ich ihn beginne, und dabei werde ich sowohl römischen als auch barbarischen Traditionen genau folgen. Zum geeigneten
    Zeitpunkt werde ich auf die Brücke treten und meine
    Herausforderung verkünden. Ich werde verlangen, daß
    Odoaker sich kampflos ergibt, bevor er besiegt wird, daß er sich mir auf meinem Marsch nach Rom nicht in den Weg
    stellt und mich als seinen Nachfolger und Oberherrn
    anerkennt. Darauf wird er natürlich nicht eingehen. Er oder einer seiner Untergebenen wird ebenfalls auf die Brücke hinaustreten und selber eine Kriegserklärung abgeben.
    Dann werden wir gemeinsam erklären, daß nunmehr
    Kriegszustand herrsche. Die Kriegsregeln verlangen nur, daß uns beiden danach genug Zeit gelassen wird, auf
    unsere jeweiligen Posten zurückzukehren. Erst dann kann der Befehl zum Losschlagen erteilt werden.«
    »Aber wann willst du das tun, Theoderich? Willst du
    unseren Männern vor der Entscheidung noch etwas Ruhe
    gönnen? Oder willst du Odoaker verspotten, indem du ihn noch länger warten läßt?«
    »Weder das eine noch das andere«, antwortete
    Theoderich. »Übrigens haben sich nicht alle unsere Männer ausgeruht. Wie du weißt, haben wir ehemalige Legionäre darunter, und die tragen römische Harnische. In den
    vergangenen Nächten schickte ich sie über den Fluß und gab Befehl, sie sollen sich, sobald ihre Kleider trocken sind, unbemerkt unter den Feind mischen und die Ohren
    aufsperren. Außerdem habe ich genug Wachen aufgestellt, um sicherzugehen, daß vom anderen Flußufer her keine
    Spione infiltrieren. «
    »Und was haben die unsrigen berichtet?«
    »Nicht viel. Odoaker ist selbstverständlich ein erfahrener und fähiger Soldat, aber er ist alt. Mindestens sechzig. Mir wurde berichtet, daß er das Kommando über sein Heer
    einem Jüngeren übertragen hat, der in unserem Alter ist. Der Mann heißt Tufa und ist von Geburt Rugier.«
    »Ach, dann wird dieser Tufa alle germanischen

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