Der Greif
einer Frau angesprochen werden.«
»Von einer Frau?«
»Sie sollen ihr den gebührenden Respekt
entgegenbringen und ihr gehorchen, als trüge sie meine eigenen Insignien. Prägt Euch ihren Namen ein. Sie heißt Veleda.«
In Bononia mietete ich einen Stall für Velox und ließ dort auch die meisten meiner Habseligkeiten, die ich aus Verona mitgebracht hatte, sogar mein geborgtes Schwert. Ich nahm nur das wenigste mit, darunter zwei Gegenstände, die zu meiner Veleda-Ausstattung gehörten und die ich für den Fall eingepackt hatte, daß ich sie irgendwann brauchen würde.
Das eine war das perlenbesetzte Schamband, das ich als Veleda immer trug, um mein männliches Organ zu
verbergen und um so bescheiden wie eine Römerin zu
wirken. Das andere war der spiralförmige Brustschutz aus Bronzedraht, den ich als Veleda manchmal trug, um meine Brüste hervorzuheben.
In den Läden rund um den Marktplatz kaufte ich »für
meine Gemahlin« eine rudimentäre weibliche Ausstattung: ein Kleid, ein Kopftuch, Sandalen. Dann schlüpfte ich in eine stille, enge Gasse und zog mich schnell um. Meine
Männerkleider und Stiefel ließ ich einfach dort, für jeden Bettler, der sie haben wollte. Dann ging ich in eine billige Herberge für reisende Händler und mietete eine Kammer.
Ich warte auf meinen Gatten, sagte ich dem Wirt, damit er sich nicht sträubte, eine Frau, die allein unterwegs war, aufzunehmen. Während der nächsten drei oder vier Tage
kaufte ich noch mehr an Kleidung und Schmuck, alles von bester Qualität, teure Kosmetika und Putz aus korinthischem Kupfer. Dann verließ ich mein Quartier fein gekleidet und geschmückt und stellte mich in Bononias elegantestem
Gasthaus vor. Wie erwartet, war der Wirt nicht abgeneigt, seine teuren Gemächer an eine schöne, redegewandte und offenbar wohlhabende Dame zu vermieten.
Wieder begab ich mich zum Marktplatz. Im Geschäft eines Werkzeugmachers beobachtete ich die Menschenmenge
draußen, während ich etliche Wetzsteine begutachtete und schließlich einen davon kaufte - um »meine Fingernägel zu feilen«, wie ich dem amüsierten Händler erklärte. In einer belebten römischen Stadt wie Bononia bewegen sich
Menschen aus aller Herren Länder, und ich kannte
selbstverständlich nicht jedes Gesicht in Theoderichs Heer.
Doch auf dem Marktplatz war fast jeder mit irgend etwas beschäftigt. Es fiel mir nicht schwer, einen Mann
auszumachen, der gelangweilt am Marktbrunnen herumhing.
Ich wartete, bis ich sicher war, daß ich die einzige war, die ihn beobachtete. Dann schlenderte ich hinüber und fragte mit gesenkter Stimme: »Seid Ihr von Signifer Tulum hier postiert?«
Sein Arm schnellte hoch, und er bellte: »Ja, Frau Veleda!«
Einige Passanten drehten sich nach uns um.
Ich unterdrückte ein Lächeln und beschwichtigte ihn:
»Ruhig. Immer mit der Ruhe. Wir tun so, als seien wir
Freunde, die sich zufällig treffen. Setzt Euch hier zu mir auf den Brunnenrand.« Das tat er auch, blieb aber sehr formell.
»Wie viele von Euch hat Tulum ausfindig gemacht?« fragte ich.
»Drei, verehrte Dame. Der Signifer ist unterwegs nach
Norden. Wie befohlen, warteten wir drei auf Euch und
wechseln uns hier am Brunnen ab.«
»Holt die anderen. Sie sollen sich uns anschließen.«
Die drei Reitersoldaten hießen Ewig, Kniva und Hruth.
Wenn sie es seltsam fanden, von einer Frau Befehle
entgegenzunehmen, so zeigten sie es nicht. Tatsächlich legten sie ein solch soldatisches Verhalten an den Tag, daß ich ihnen wiederholt zuflüstern mußte, sie sollten ihre Förmlichkeit ablegen.
»Soweit wir feststellen konnten«, sagte Ewig, »sind wir und Tulum die einzigen Überlebenden von Brunjos
Hundertschaft. Tulum sagte uns, daß Ihr und der Saio Thorn hier seid, um unsere gefallenen Kameraden durch die
Ermordung des bestialischen Generals Tufa zu rächen, und wir sind bereit - nein, wir brennen darauf - Euch beizustehen, wie Ihr befehlt.«
»Laßt uns Spazierengehen, während wir reden«, schlug
ich vor. Wir erregten Aufmerksamkeit. Ich zog die neidischen Blicke mehrerer Frauen auf mich, auch die vornehmer
Damen, weil ich von drei so strammen Kerlen begleitet
wurde.
»Unser Opfer, der verachtenswerte General Tufa, befindet sich gerade in Ravenna, etwa vierzig Meilen östlich von hier«, erklärte ich, indem ich meine Begleiter in die Richtung dirigierte, in der mein Quartier lag. »Doch ich warte hier auf ihn, denn er wird hierher zurückkehren, um seinen Pflichten als Legat
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