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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nachzukommen.« Meine Mitverschworenen sahen
    mich von der Seite her an, also fügte ich hinzu: »Saio Thorn und ich, sollte ich vielleicht besser sagen. Nur muß Thorn außer Sichtweite bleiben, bis die Zeit zum Losschlagen gekommen ist. In dem Gasthaus dort drüben wohne ich,
    merkt Euch das, und dort habt Ihr mir auch Bericht zu
    erstatten. In dieser Stadt spricht man viele Sprachen, auch die unsrige, doch Latein kommt am häufigsten vor.
    Beherrscht einer von Euch diese Sprache?«
    Kniva bestätigte, daß er Latein recht gut verstehe und auch sprechen könne. Die beiden anderen verneinten.
    »Kniva, dann werdet Ihr mir hier in Bononia helfen, und Ihr, Hruth und Ewig, werdet für mich außerhalb der
    Stadtmauern kundschaften. Ewig, ich will, daß Ihr Euch in den Sattel schwingt und auf der Via Aemilia bis zur
    Abzweigung der Straße nach Ravenna reitet. Dort legt Ihr Euch auf die Lauer, und sobald Tufa Ravenna verläßt,
    benachrichtigt ihr mich so schnell wie möglich. Ich hoffe, bald von Euch zu hören, daß er in unsere Richtung reitet.
    Doch auch wenn er einen anderen Weg nimmt, will ich
    davon unterrichtet sein. Geht jetzt. Los! Habai ita swe!«
    Ewig war im Begriff, seinen Arm zum Salut hochzureißen, aber ich legte die Stirn in Falten, worauf er den Arm wieder sinken ließ. »Zu Befehl, meine Dame«, murmelte er und ging davon.
    Dann wandte ich mich an Hruth: »Ich will, daß auch Ihr dorthin reitet und dasselbe Gebiet überwacht, doch
    hauptsächlich bei Nacht. Mit Hilfe von Fackelzeichen wird Ravenna über den Fortgang des Krieges informiert gehalten.
    Ihr werdet diese Botschaften für mich abfangen.«
    Da ich mir ziemlich sicher war, daß ein einfacher
    Reitersoldat weder lesen noch schreiben, noch Zahlen
    notieren konnte, versuchte ich nicht lange, Hruth das
    komplizierte polybische System zu erklären. Ich gab nur Befehl, daß er jedesmal, wenn er die Lichter erblickte, auf einem Blatt oder auf einem Stück Rinde eine Linie mit fünf und eine mit vier Fackeln kritzeln und mit zusätzlichen Zeichen die Reihenfolge markieren solle, in der diese Lichter erhoben wurden, um einen Buchstaben zu signalisieren.
    »Wenn Ihr das fertigbringt«, sagte ich, »ist es mir möglich, die Zeichen zu lesen.« In Hruths Blick lag etwas wie
    Ehrfurcht, als er schwor, er würde den Auftrag so
    gewissenhaft wie möglich ausführen. Dann fuhr ich fort: »Ich will, daß Ihr jede Botschaft genau so niederschreibt und auf dem schnellsten Wege zu mir bringt. Das heißt, daß Ihr fast jeden Tag hin- und herreiten müßt, nachdem Ihr die ganze Nacht Wache geschoben habt. Doch es muß sein. Habai ita swe!«
    »Und wie lauten meine Befehle?« fragte Kniva, als Hruth gegangen war.
    »Ich will, daß Ihr Euch besauft und besoffen bleibt.«
    Kniva blinzelte. »Was?«
    »Ich will, daß Ihr in ganz Bononia, in jeder Taverne,
    Weinstube und Gaststätte trinkt und auch die anderen Gäste auf ein Glas einladet. Hier ist ein Beutel voll Silbermünzen, damit Ihr Euch das leisten könnt. Auf Lateinisch und auf Gotisch verkündet Ihr überall, daß Ihr feiert, weil Ihr eine ganze Nacht lang die köstlichsten und phantastischsten fleischlichen Wonnen genossen habt.«
    Kniva sah mich verblüfft an.
    »Ihr werdet betrunken und laut in beiden Sprachen damit angeben, jene Nacht mit der schönsten, talentiertesten und freizügigsten Hure verbracht zu haben, mit der Ihr je
    geschlafen habt. Erzählt, daß sie neu sei in Bononia, daß sie fürchterlich viel Geld verlange und daß sie sehr wählerisch sei, was ihre Kunden anbetrifft, daß sie aber in den
    sexuellen Künsten unvergleichlich und ihr Geld wie auch das Werben wert sei.«
    Kniva sah mir erschüttert ins Gesicht. »Ihr?«
    »Ja, natürlich, die Dame Veleda. Und vergeßt nicht zu
    erwähnen, wo ich zu finden bin.«
    7
    Anfangs sah es so aus, als würde ich nicht lange auf Tufa warten müssen. Nur wenige Tage, nachdem ich Hruth und
    Ewig gen Osten entsandt hatte, kam Hruth wieder
    angaloppiert und überreichte mir im Gasthof ein Bündel Borkenrinde.
    »Vergangene Nacht«,keuchte er. »Fackeln... aus
    Nordwest...«
    Ich machte mich sofort daran, die Nachricht zu
    entschlüsseln, und es gelang mir: Nach allem, was ich über Theoderichs derzeitigen Aufenthaltsort wußte, schien die Botschaft TH MEDLAN POS zu lauten. »Mediän« sah zwar
    nicht wie ein lateinisches Wort aus, doch ich erriet, daß es sich um die komprimierte Form des Namens der größten
    Stadt im Umkreis des Addua-Flusses handelte

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