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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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    Mediolanum. Das dritte Wort mußte eine Flexion des Verbs
    »possidere« sein. Nun, das war eine gute Nachricht, und ich frohlockte. Es hieß, daß Theoderich am Addua nicht besiegt und nicht einmal aufgehalten worden war. Er und sein Heer waren vom Fluß aus nach Westen vorgerückt, um die nach Rom volkreichste Stadt Italiens zu besetzen. Und dies war entweder schon geschehen, geschah gerade oder würde
    bald geschehen.
    Nur ungefähr zwei Stunden später kam Ewig in den Hof
    des Gasthauses geritten. Er taumelte in meine Gemächer und keuchte: »Tufa... heute morgen... hat Ravenna
    verlassen...«
    »Gut, gut!« gurrte ich. »Das habe ich erwartet. Wieviel Vorsprung habt Ihr?«
    Ewig schüttelte den Kopf und rang nach Atem. »Er kommt nicht in diese Richtung... Tufa reitet nach Süden...«
    »Scheiße!« fluchte ich ganz und gar undamenhaft.
    Sobald er zu Atem gekommen war, berichtete Ewig: »Tufa kam nicht an meinem Posten vorbei. Da ich nur die
    Sumpfstraße überwachen konnte, unterhielt ich mich mit Händen und Füßen mit den Bauern, und sie waren sehr
    willig, mir zu erzählen was sie über Tufa wußten.«
    »Das habe ich auch schon bemerkt«, sagte ich, »daß
    seine Untertanen ihn nicht sonderlich in Schutz nehmen.«
    »Wenn man ihren Berichten glauben kann, verließ Tufa
    Ravenna mit nur einer einzigen Kavallerieschwadron - seiner persönlichen Leibwache, wie ich annehme. Sie ritten im Eiltempo gen Süden, nach Ariminum, und nahmen dort die Via Flaminia, die ebenfalls gen Süden führt.«
    »Die Hauptstraße nach Rom«, sagte ich. Ich war
    enttäuscht, doch es lag auf der Hand, daß Tufa - nachdem Theoderich die zweitgrößte Stadt auf der Halbinsel erobert hatte - zur größten Stadt ritt, um deren Verteidigungsanlagen zu überprüfen. So sprach ich eher zu mir selbst, als ich fortfuhr: »Es wäre jetzt dumm von mir, ihm über die ganze Strecke nachzusetzen. Bononia ist keine unbedeutende
    Stadt; er wird sie kaum dem Feind überlassen. Irgendwann kommt er hierher zurück.« Dann sagte ich zu Ewig: »Holt Tufas Schwadron ein, wenn möglich, und verfolgt sie
    heimlich, ohne entdeckt zu werden. Fragt weiterhin die italischen Bauern aus. Schickt mir einen Boten, wenn Tufa in Rom eintrifft. Dann bezieht Ihr dort Posten, damit Ihr mich davon unterrichten könnt, wann er Rom wieder verläßt und wohin er reitet.«
    Das wichtigste an einem Mordplan ist, daß der Täter
    Gelegenheit hat, an das Opfer heranzukommen. Und nur
    das verlangte ich, denn der Rest meines Plans war
    ungeheuer einfach. Doch Tufa entzog sich mir immer
    wieder, obwohl er von meiner Gegenwart und meinen
    Absichten unmöglich Wind bekommen haben konnte. Kurz
    gesagt: Ich saß den ganzen Winter über in Bononia fest, und das war frustrierend und ärgerlich.
    Ich muß zugeben, daß ich mich keineswegs langweilte,
    obgleich ich mich oft genug über meine Trägheit ärgerte.
    Dank meiner klugen Vorkehrungen langweilte ich mich nie.
    Ich fand genügend Zerstreuung.
    Während der ersten Tage und Wochen in Bononia führte
    Kniva seine Befehle auf das emsigste aus. Er ging von einer Trinkstube zur anderen und pries überall die Vorzüge und Tugenden (wenn dies das richtige Wort ist) der Dame
    Veleda, die neu war in der Stadt.
    Ich wollte, daß mein Ruf Tufa zu Ohren kommen würde,
    sobald er Bononia betrat, und daß er sehr bald begierig darauf wäre, der
    Gepriesenen selbst beizuwohnen. Daher zog ich scharfe
    Grenzen, wenn es darum ging, aus den Herden der Freier die Richtigen auszuwählen. Zum Beispiel bewarben sich
    viele junge gutaussehende Männer um meine Gunst, die
    ihre Geldbörsen großzügig öffneten und auch in Lumpen
    gehüllt begehrenswert gewesen wären, doch ich lehnte ab.
    Von den vielen reichen und prominenten Bewerbern zog ich nur jene in Erwägung, von denen ich annahm, daß sie zu Tufas unmittelbarem Gesellschaftskreis gehörten. Da selbst diese zahlreich genug waren, konnte ich es mir erlauben, nur diejenigen auszuwählen, die ich attraktiv fand.
    Ich brauchte Kniva nun nicht mehr, um Veledas Talente in der Stadt zu verkünden - das besorgte ich jetzt selbst. Daher entließ ich den armen Kerl, der sich halb totgesoffen hatte und nur noch von einer Taverne zur anderen torkelte, und bat ihn, er solle sich ausruhen. Als er wieder nüchtern war und sich etwas gefangen hatte, schickte ich ihn gen Norden, zu Theoderich nach Mediolanum. Ich unterrichtete
    Theoderich davon, was ich von meinen Kunden bisher über Tufas Reisen gehört

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