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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Schweigen.«
    Zwar war mir nicht ganz klar, für was ich mein Schweigen und mein Einverständnis eintauschte, aber Bruder Petrus schien zufrieden, als ich murmelte, ich würde mit
    niemandem über unsere privaten Andachten sprechen. Und ich hielt Wort. Nie habe ich einem Mönch oder dem Abt
    erzählt, was zwei- bis dreimal pro Woche in der Küche vor sich ging, wenn Petrus mit dem Kochen der mittäglichen Mahlzeit - der einzigen warmen Mahlzeit am Tag fertig war und bevor er und ich die Speisen zu den im Speisesaal
    versammelten Mönchen hineintrugen.
    Nachdem wir die Prozedur ein- oder zweimal wiederholt
    hatten, empfand ich keine Schmerzen mehr, und die
    Andachten erregten bei mir jetzt denselben Körperteil wie bei Bruder Petrus, und er stellte sich auch bei mir steif auf.
    Außerdem empfand ich noch etwas anderes, ein
    drängendes Verlangen, eine Art Hunger, allerdings nicht auf Speisen.
    Ich teilte oder besser ertrug die Andachtsübungen das
    ganze Frühjahr und den größten Teil des Sommers. Dann, im Spätsommer, wurden Petrus und ich erwischt, und zwar vom Abt persönlich.
    Als Dom Clemens an jenem Tag kurz vor der mittäglichen Mahlzeit die Küche betrat, stand Petrus mit gespreizten Beinen über mir. »Liufs Guth!« schrie der Abt, was auf Gotisch soviel heißt wie »Lieber Gott!« Petrus ließ von mir ab und machte einen Satz. »Inwisan unsar heiwagudei!«
    klagte der Abt laut, was soviel heißt wie: »Und das in unserem gottesfürchtigen Haus!« Dann donnerte er:
    »Kalkinassus Sodomiza!« Ich verstand damals nicht, was das bedeutete, obwohl ich mich erinnerte, eines dieser Worte von Bruder Petrus gehört zu haben. Verwundert,
    warum der Abt über unsere Andachtsübungen so empört
    sein sollte, blieb ich liegen, wo ich war, die Kutte bis zum Hals hinaufgeschoben.
    »Ne, ne!« heulte Bruder Petrus entsetzt auf. »Nist, Nonnus Clemens, nist Sodomiza! Ni allis!«
    »Im ik blinda, niu?« rief der Abt.
    »Nein, Dom Clemens, Ihr seid nicht blind, und deshalb
    flehe ich Euch an, seht, was ich Euch zeige. Es war nicht Sodomie, Nonnus. Weh mir, ich habe gesündigt, ja. Ich bin der Versuchung erlegen, ja. Aber seht doch, Nonnus
    Clemens, das heimtückisch verborgene Ding, das mich
    versucht hat.«
    Der Abt funkelte ihn zornig an, trat dann aber aus meinem Gesichtsfeld hinter mich, und ich kann nur vermuten, was Petrus ihm zeigte, denn Dom Clemens stöhnte erneut auf:
    »Liufs Guth!«
    Petrus nickte zerknirscht und fügte fromm hinzu: »Und ich danke dem lieben Gott, daß nur ich es war, der
    nichtswürdige Neuling und Diener, den dieser falsche
    Knabe, diese heuchlerische Eva mit ihrer verbotenen Frucht versucht hat. Ich danke dem lieben Gott, daß er nicht einen meiner würdigeren Mitbrüder versucht hat oder gar -«
    »Slaváith!« brüllte der Abt, »schweig!« Mit einem Ruck zog er mir die Kutte über den nackten Hintern, denn von den lauten Rufen angezogen, hatten sich an der Tür zur Küche einige Mönche versammelt und starrten neugierig herein.
    »Geh in den Schlafsaal, Petrus, und warte bei deinem
    Strohsack; mit dir rede ich später. Bruder Babylas und Bruder Stephanos, ihr deckt im Speisesaal den
    Tisch.« Er wandte sich zu mir. »Thorn, mein Sohn - äh, mein Kind - du kommst mit mir.«
    Dom Clemens' Wohnung bestand nur aus einem Raum,
    der zwar vom gemeinschaftlichen Schlafsaal der Mönche
    getrennt lag, aber genauso karg und asketisch eingerichtet war wie dieser. Der Abt schien so verwirrt, daß er nicht wußte, was er zu mir sagen sollte, deshalb betete er zuerst lange Zeit mit mir und wartete dabei wahrscheinlich auf eine Eingebung. Schließlich stand er schwerfällig auf, bedeutete mir, gleichfalls aufzustehen, und stellte mir verschiedene Fragen. Dann sagte er, was er jetzt, da mein »Geheimnis«
    offenbar sei, mit mir tun wolle. Seine Worte betrübten uns beide, denn wir hatten einander sehr lieb gehabt.
    Am nächsten Tag wurde ich zum Schwesterkloster von St.
    Damian auf der anderen Seite des Tals gebracht, zur Abtei St. Pelagia der Büßerin, einem Nonnenkloster, in dem
    Jungfrauen und Witwen ein klösterliches Leben führten.
    Dom Clemens persönlich geleitete mich und half mir meine geringe Habe tragen.
    Dom Clemens stellte mich der alten Äbtissin Domina
    Aetherea vor, die einen tüchtigen Schreck bekam, denn sie hatte mich oft bei der täglichen Arbeit auf den Feldern von St. Damian gesehen. Der Abt bat sie, uns in eine Kammer zu führen, in der wir ungestört waren. Dort mußte ich mich

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