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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sein neuer Herr
    sein würde, blinzelte uninteressiert durch die Planken.
    Sobald der Reiter außer Hörweite war, richtete Wyrd sich auf und sagte: »Ich schleiche ihm nach, um sicher zu gehen, daß der Legat ihn empfängt und daß keine der Parteien die andere Seite betrügt. Es ist jetzt Mittag, und der Schmied muß uns mit einer Mahlzeit bewirten. Du gehst, Thorn, und richtest ihm aus, daß seine Frau alles vorbereiten soll. Wenn ich zurückkomme, essen wir, bis wir platzen, denn nicht einmal Mithras weiß, wann wir wieder etwas zwischen die Zähne bekommen.«
    Also sagte ich dem Schmied, daß seine Frau uns reichlich mit Essen versorgen solle. Sie war gerade dabei, uns auf großen, runden Brotscheiben, die zugleich als Teller dienten, einen herzhaften Fischeintopf auszuteilen, als Wyrd
    zurückkam. Er berichtete, daß der Legat und der Bote sich gegenseitig nicht die Köpfe einschlugen und daß Calidius offensichtlich wie abgesprochen die Verhandlungen in die Länge zog, um den Hunnen bis zum Abend aufzuhalten.
    »Aber eßt schnell«, sagte er. »Der Satansbraten kann
    jeden Augenblick Lunte riechen und in den Wald
    davongaloppieren. Bis dann essen wir weiter, und zwar
    soviel wir können.«
    Dann senkte Wyrd die Stimme und sagte leise, so daß
    Fabius es nicht hören konnte, zu mir: »Vermutlich sind die Geiseln noch am Leben. Jedenfalls brachte der Schurke
    heute noch einen Finger Placidias daher, und soweit ich aus meinem Versteck erkennen konnte, ist er erst vor kurzem abgeschnitten worden.«
    Offenbar passierte oben in der Garnison nichts, was das Mißtrauen des Boten erregt oder ihn alarmiert hätte. Der Legat mußte ihn gut mit Speisen und Wein versorgt haben, während er über die Einzelheiten des Austauschs römischen Armeebesitzes gegen die Geiseln verhandelte - wieviel, wo und wann er stattfinden sollte - denn der Tag verstrich ereignislos, doch spannungsgeladen.
    Doch schließlich gab uns Wyrd wild gestikulierend zu
    verstehen, daß wir ruhig sein sollten. Wieder schlichen wir alle zur Stallwand und spähten durch die Ritzen. Der Hunne war nun in größerer Eile, oder sein Gaul war nach der
    langen Ruhepause erfrischt, oder beides, jedenfalls kamen sie in flottem Trab durch die frühe Dämmerung. Pferd und Reiter kreuzten wieder unser Blickfeld, diesmal in anderer Richtung, kaum hatten sie den Hof verlassen, da zischte Fabius: »Los, bevor er außer Sicht ist!«
    »Ich will ihn außer Sicht!« schnappte Wyrd, aber nicht laut.
    »Die Hunnen haben Augen am Hintern. Seine Spur reicht
    uns. In den letzten Tagen sind hier nicht viele Reiter vorbeigekommen.«
    Wir mußten also noch etwas länger warten, bis Wyrd
    schließlich den Befehl zum Aufsitzen gab.
    Ich kletterte unbeholfen in den Sattel, reichte Becga die Hand und half ihm auf das Kissen hinter mir. Mein Sattel, das Zaumzeug und die Zügel waren nicht wie die des Optio Fabius mit Medaillen, Anhängern und sonstigem Putz
    geschmückt, doch es war eine echte Schlachtrüstung. Der Sattel war aus Leder, innen mit Bronze ausgeschlagen und genarbt, sodaß der Reiter besseren Halt fand. Ich war nicht überrascht zu sehen, daß Fabius sein Pferd viel eleganter bestieg als ich - er schwang sich von der Erde aus in den Sattel - und nicht allzu erstaunt, als ich sah, daß Wyrd dasselbe tat.
    Der Schmied öffnete ein Tor für uns, und wir ritten
    gemächlich hintereinander hinaus auf die Straße. In seinem Sattel vornübergebeugt ritt Wyrd voraus und prüfte
    forschend die Hufabdrücke im Schmutz und Schlamm der
    Straße, Fabius blieb dicht hinter ihm und tat es ihm nach.
    Dann plötzlich zügelte Wyrd sein Pferd und machte ein
    leicht verdutztes Gesicht: »Der Hunne hat hier die Straße verlassen. Warum so früh?«
    Mit einem einzigen Satz stand Fabius plötzlich auf seinem Sattel. Er spähte durch die Bäume, die die Straße zu
    unserer Linken säumten, und in die Richtung, die Wyrd
    angezeigt hatte. Nach einem Augenblick verkündete er: »Er ist außer Sicht, nicht aber die Spuren.«
    Also verließen wir die Straße ebenfalls und ritten mit Wyrd in Führung weiter, vorbei an Bäumen und Viehweiden und Ackerland. Wir ritten noch langsamer als zuvor, damit wir nicht in Sichtweite des Hunnen gerieten. Dann hielt Wyrd abermals abrupt an und knurrte: »Bei den selbstkastrierten Priestern der Zybele, der Hunne ist wieder abgebogen. Er reitet wieder zurück nach Basilia!«
    »Vielleicht will er herausfinden, ob er verfolgt wird«, meinte Fabius. »Vielleicht. Doch

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