Der Greif
als am Ufer und hüllte uns
vollständig ein, so daß wir erst Unbehagen verspürten, dann jämmerlich froren, und zuletzt wurden unsere Glieder fast taub. Doch plötzlich verfingen sich die Kapuze meines
Überwurfs und die Mähne des Pferdes in niedrigen Zweigen.
Entweder hatte das Wasser des Flusses die Wurzeln der
Bäume am Ufer überspült, oder wir waren im Unterholz von Bäumen gelandet, die im Wasser wuchsen - jedenfalls
gurgelte und schwappte das Wasser so laut, daß es alle Geräusche, die wir beim Aussteigen verursachten,
übertönte. Und Lärm machten wir, denn selbst die Pferde waren vor Kälte ganz steif und unbeholfen, als sie aus dem Kahn geführt wurden und versuchten, vom seichten Wasser auf trockenen Boden zu kommen.
Wyrd drückte Becga die Zügel der Pferde in die Hand,
nahm Fabius und mich beiseite und sagte: »Ab jetzt müssen wir leise sein, wenn wir herausfinden wollen, wo genau der Hunne an Land ging. Das heißt, wir werden zu Fuß gehen.«
»Warum?« fragte Fabius. »Das kann bis zum Morgen
dauern oder gar einen ganzen Tag. Der Kahn des Hunnen
ist möglicherweise meilenweit abgetrieben, vielleicht sogar weitab von Basilia.«
»Und vielleicht auch nicht. Sprecht also leise. Es kann sein, daß er nicht weit von hier an Land gegangen ist.
Deshalb gehen wir zu Fuß, und so leise wie möglich: mein Gehilfe, der Eunuche und ich. Optio, Ihr bleibt hier bei den Pferden, den Booten und den Männern.«
»Was?! Gerrae! Wie lange?«
»Ich sagte, Ihr sollt leise sein. Und Ihr habt versprochen, Euch nicht meinen Befehlen zu widersetzen. Ihr werdet
hierbleiben, bis Thorn und ich zurückkommen und wie ich innigst hoffe das mitbringen, wofür wir hergekommen sind.«
»Was?!« Fabius schrie es diesmal, und Wyrd schlug ihn
mit dem Handrücken ins Gesicht. Das brachte den wütenden Soldaten zwar nicht zum Schweigen, doch wenigstens
senkte er seine Stimme ein wenig. »Ihr und zwei Kinder wollt die Verfolgung ohne mich aufnehmen und ohne mich
angreifen? Und ich darf währenddessen Kindermädchen für Pferde und Hafenkulis spielen? Ich will verflucht sein, wenn ich das tue!«
»Verflucht oder nicht, Optio, das ist genau, was Ihr tun werdet. Wenn wir drei herausfinden, wo der Hunne an Land gegangen ist, bleibt uns keine Zeit mehr, hierher
zurückzukehren und Euch zu holen. Wir müssen ihm dicht auf den Fersen bleiben. Danach - was immer auch
passieren mag und wenn es überhaupt einen Rückweg gibt -
machen wir uns Hals über Kopf davon. Wir müssen uns
darauf verlassen können, daß die Pferde, die Kähne und die Bootsleute hier sind. Glaubt Ihr, daß die Hafenkulis, die wissen, daß hier irgendwo wilde Hunnen versteckt sind, brav auf uns warten, ohne daß sie jemand dazu zwingt? Ihr seid der einzige, der dies tun kann, und deshalb werdet Ihr es tun.«
Während Wyrd und ich uns vorbereiteten, hörte Fabius
nicht auf zu rechten, zu betteln und aufzubegehren -
abwechselnd vernünftig, bitter, wütend und um Mitleid
heischend -, doch Wyrd schenkte seinen Klagen kein Ohr.
Ich nahm meinen Degen von Velox' Sattel, befestigte ihn um meine Taille, steckte meine Schlinge dazu, wo sie griffbereit sein würde, und war mit meinem Juikabloth auf der Schulter bereit zu gehen. Wyrd gürtete seine kurzstielige Axt und richtete seinen Bogen und den Köcher mit Pfeilen auf
seinem Rücken aus. Der kleine Becga hatte nichts anderes zu tun, als Fabius die Zügel der Pferde zu reichen. Dieser stellte schließlich sein Bitten ein und sagte widerstrebend und resigniert: »Ave, Uiridus, atque vale.«
»Te morituri salutamus«, antwortete Wyrd nicht gänzlich ironisch und befahl mir und Becga, ihm zu folgen.
Ich weiß nicht, wie lange oder wie weit wir marschierten, doch in jedem Fall war es viel mehr als nur Stunden oder Meilen. Der hunnische Bote mußte zum Rudern des Kahns
fast genauso viele Männer gehabt haben wie wir, denn auch er hatte den Fluß überquert, ohne weit abzutreiben, und war ein gutes Stück oberhalb von Basilia an Land gegangen. Ich stieß in der Dunkelheit auf einmal gegen Wyrd, der
stehengeblieben war, und bemerkte, daß er am Ufer ein
Boot erspäht hatte. Als ich ihm über die Schulter blickte, konnte ich einen roh zusammengehauenen Leichter
erkennen, der aus dem Wasser gezogen und im dichten
Unterholz versteckt worden war. Er war leer. Wir standen einen Augenblick regungslos da und hielten den Atem an, während Wyrd die Ohren spitzte und sich umsah. Schließlich drückte er mir
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