Der Greif
Ecke und starrte trübsinnig vor sich hin, nackt bis auf einen Verband an seiner rechten Hand. Er sah ehrlich überrascht aus, als ich mich neben ihm niederließ und mich vorstellte:
»Thorn. Einer Eurer Bewunderer, Clarissimus Jaerius.«
Vielleicht war er überrascht, von jemandem angesprochen zu werden, der dem Mädchen Juhiza in Aussehen und Alter so ähnlich war. Aber er hatte sie, aus der Nähe zumindest, nur in dem dunklen Wäldchen und dem Halbdunkel der
Kirche gesehen. Außerdem war ich unzweifelhaft ein Mann, das hier war schließlich eine Therme für Männer. Er war, als persona non grata, wohl einfach überrascht, daß überhaupt jemand mit ihm sprach. »Clarissimus, Ihr kennt mich nicht, doch ich bin der Lehrling eines reisenden Händlers. Wir kamen erst vor kurzem in Eurer schönen Stadt an. Und
schon stehe ich tief in Eurer Schuld.«
»Welche Schuld?« Mißtrauisch rutschte er auf der Bank
von mir weg. Er fürchtete wohl, ich sei ein Freund oder Verwandter Gudinands, und die Schuld, von der ich sprach, sei eine, die er lieber nicht begleichen wollte.
Ich beeilte mich zu sagen: »Euch verdanke ich es, beim Wetten eine beträchtliche Summe gewonnen zu haben.
Beträchtlich zumindest für eine Person meiner Stellung. Ihr müßt wissen, daß ich den Kampf in der Arena sah und
meine ganzen Ersparnisse auf Euch setzte.«
»Wirklich?« antwortete er etwas weniger mißtrauisch. »Es fällt mir schwer zu glauben, daß irgend jemand auf mich Wetten abschloß.«
»Ich. Und man bot mir außergewöhnliche
Gewinnchancen.«
»Das glaube ich gerne«, sagte er düster.
»Für das Vermögen, daß Ihr einem einfachen Lehrling
eingebracht habt, möchte ich mich bedanken. Natürlich weiß ich, daß Ihr, Clarissimus Jaerius, niemals Geld annehmen würdet. Also habe ich Euch ein Geschenk gebracht.«
»Eh??«
»Ich gab einen Teil des Gewinns aus, eine Sklavin zu
kaufen.«
»Danke, Lehrling, aber ich besitze viele Sklavinnen.«
»Aber keine wie diese, Clarissimus. Eine Jungfrau, eine reife Frucht, die darauf wartet, geerntet zu werden.«
»Nochmals danke, aber ich habe viele solcher Früchte
genossen.«
»Dieses Mädchen ist nicht nur eine Jungfrau und schön«, lockte ich weiter, »sie ist auch schwarz. Eine junge
Äthiopierin.«
»Was sagst du?« Sein Gesicht hellte sich auf. »Ich habe noch nie mit einer Dunkelhäutigen geschlafen.«
»Ihr könnt Euch jetzt gleich zu ihr legen. Ich habe mir erlaubt, sie hierher mitzubringen. Sie erwartet Euch,
splitternackt, in dem Exedrium mit der Nummer drei, direkt neben der Eingangshalle.«
Er kniff seine Augen zusammen. »Du führst mich auch
nicht an der Nase herum?«
»Ich will Euch danken, Clarissimus. Geht selbst und nehmt sie in Augenschein. Wenn Euch nicht gefällt, was Ihr seht...
ich warte hier.«
Jaerius sah immer noch mißtrauisch aus, aber gleichzeitig auch sehr erregt. Er stand auf, band ein Handtuch um seine Hüften und sagte: »Warte also. Entweder kehre ich gleich zurück und lehre dich, mit mir Unfug zu treiben, oder ich kehre später zurück und zeige mich für dein Geschenk
erkenntlich.« Damit verließ er mich.
Ich wartete keine Sekunde. Mein Zeitplan war zu knapp
bemessen, als daß ich trödeln durfte. Ich hastete in das Apodyterium und zog mich wieder an und rannte dann wie ein Besessener zurück in die Herberge, riß mir in meinem Zimmer die Kleider vom Leib und verwandelte mich in
Juhiza. Ich vertat keine Zeit damit, Schmuck oder Kosmetik anzulegen, sondern eilte zu der Therme zurück.
Wie vereinbart wartete Äffchen an der Straßenecke und
sah den Passanten nach. Viele verlangsamten ihren Schritt oder blieben gar stehen, um sie zu betrachten. Schwarze Frauen waren ein seltener Anblick in den Straßen
Constantias, obwohl viele Handelszüge durch die Stadt
kamen und gelegentlich auch schwarze Frauen mitbrachten.
Äffchen war darüber hinaus ausnehmend schön. Als ich sie am Arm packte, zuckte sie zurück. Aber dann erkannte sie mich und lächelte, obwohl mein verändertes Aussehen sie verständlicherweise verwirrte. Ich gestikulierte fragend in Richtung Therme. Ihr Lächeln wurde breiter, und sie nickte heftig.
Ich brachte sie zu der Therme, in der Robeya badete. Hier war es selbstverständlich, daß vornehme Frauen eine
Sklavin, selbst eine schwarze, bei sich hatten. Äffchen und ich entkleideten uns im Apodyterium und suchten
gemeinsam die Räume ab. Robeya hatte bereits den letzten Raum, das Balineum, erreicht und ließ
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