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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Steinstatue von Mitys, was hast du von dem Geld gekauft?«
    »Einen Sklaven.«
    »Was? Was für einen Sklaven? Einen Gladiatoren? Einen
    Meuchelmörder? Es heißt, daß man an keinem der Körper, auch nur das geringste Anzeichen einer Gewalteinwirkung festgestellt habe.«
    »Ich habe eine Venefica gekauft.«
    »Was?!« Der Schock ernüchterte ihn fast schlagartig.
    »Was weißt du über Veneficas? Und vor allem woher?«
    »Ich bin von Natur aus sehr neugierig, Fräuja. Ich habe mich erkundigt und erfahren, daß bestimmten
    Sklavenmädchen von Kindheit an bestimmte Gifte zu essen gegeben werden. Zuerst kleinste Mengen, die mit
    zunehmendem Alter gesteigert werden. Wenn sie zur Frau gereift sind, haben sich ihre Körper an diese Substanzen gewöhnt und werden von ihnen nicht angegriffen. Dabei ist das in ihnen angesammelte Gift so konzentriert, daß ein Mann, der mit einer Venefica das Bett teilt - und jeder, der mit ihren Säften in Berührung kommt - sofort stirbt.«
    Mit tonloser Stimme sagte Wyrd: »Du hast eine Venefica gekauft und sie...«
    »Ja, und eine sehr spezielle zudem. Dem Mädchen wurde, wie den meisten seiner Art, wegen seines angenehmen
    Geschmacks Aconit gegeben. Aber ihm wurde auch
    Elaterium verabreicht. Das ist, falls du es nicht wissen solltest, Fräuja, ein Gift, das aus der Eselsgurke gewonnen wird.«
    »Jesus.« Wyrd betrachtete mich mit einer Art entsetzter Bewunderung. »Kein Wunder, daß sie auf so abscheuliche Weise starben.« Wyrd war inzwischen nicht nur nüchtern, ihm wurde langsam unwohl zumute. »Sag, Junge, willst du diese Venefica etwa behalten?«
    »Sorge dich nicht, Fräuja. Sie hat ihre Arbeit getan, und ich die meine. Ich schlage vor, du und ich, wir gehen jetzt wieder der unseren nach, und zwar an einem anderen Ort.
    Sobald wir gepackt haben, können wir von mir aus
    Constantia verlassen. Für immer.«
    Die Hallstatt
    1
    Wie ich Wyrd versprochen hatte, arbeitete ich in diesem Herbst und Winter, bis weit hinein in den Frühling, härter als jemals zuvor, um mit Pelzen, Fellen, Steinbockgeweihen und Bibergeil unsere Ersparnisse aufzufüllen. In diesen Dingen konnte es niemand so leicht mit Wyrd aufnehmen. Mit
    seinen Erfahrungen und Fähigkeiten war er mir, was das Leben im Wald anging, weit überlegen. Aber mir fiel auf, und Wyrd selbst gab es halb verärgert, halb resigniert, zu, daß sein Augenlicht mit zunehmendem Alter schwächer wurde, was sich besonders in der Dämmerung und nachts
    bemerkbar machte.
    »Bei Wotan«, grollte er. »Ob die Leute immer noch
    wünschten, hofften und beteten, lange zu leben, wenn ihnen klar wäre, was das heißt, alt zu werden?«
    Ich legte jetzt jeden Tag bei Einbruch der Dämmerung
    meine Schleuder zur Seite, und Wyrd gab mir seinen
    Hunnen-Bogen, damit ich noch weiter jagte. Täglich übte ich Bogenschießen und mit der Zeit wurde ich recht geschickt darin, wenn auch niemals so gut wie Wyrd zu seinen besten Zeiten. So konnte ich noch eine oder zwei Stunden, wenn er den Bogen schon hatte weglegen müssen, auf die Jagd
    nach weiteren Pelzen und einem Abendessen gehen.
    In diesen Monaten erlegte ich mit meiner Schleuder,
    Wyrds Bogen und einmal sogar mit meinem Kurzschwert -
    als ich mich in ein Gebüsch geschlagen hatte, um mich zu erleichtern, und ein außergewöhnlich neugieriger oder
    außergewöhnlich dummer Steinbock mich beäugen kam -
    mindestens ein Exemplar jeder felltragenden Tierart... außer zweien. Da ich nie Wyrds erstaunliche Fähigkeit erlernte, in einer Bewegung den Pfeil in den Bogen zu legen, zu
    spannen und abzuschießen, war stets er es, der einen
    überwinternden Bär aufstöberte, aus seiner Höhle lockte und mit einem einzigen Pfeil erlegte, wenn er schließlich
    auftauchte. Und obwohl das dichte und schwere Winterfell eines Wolfes im Preis dem eines Vielfraßes gleichkam, ließ mich Wyrd, der Freund der Wölfe, niemals einen töten.
    Obwohl ich nie ein Freund der Wölfe war, fing ich doch an, sie zu bewundern, vor allem für ihre Winterfestigkeit. Im Alten Land kennt man den Ausdruck: »Kommt der Winter,
    kommt der Wolf...« Das paßt gut, denn Wölfe scheinen von allen Jahreszeiten den Winter am meisten zu lieben. Wann immer ich bis auf die Knochen durchgefroren durch
    Schneewehen stapfte und dann einen Wolf unter einem
    Baum liegend erspähte, erstaunte mich die Tatsache, daß das Tier immer, anscheinend absichtlich und sehr zufrieden, auf der Schattenseite des Baumes lag.
    Bis zum Frühling war es noch lang, und doch

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