Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
»Mairin, das ist so unangenehm! Denkst du daran, Schreibfedern und Papier zu besorgen? Ich weiß, dass ich nicht daran denken werde. Oh, verzeih mir, rede ich immer noch Terheien? Hier, lass mich ...« Sie legte auch für das Mädchen eine Sprachschleuse an. Es fiel ihr diesmal leichter, weil sie die Mauer benutzen konnte, die sie schon errichtet hatte. Sie sehnte sich regelrecht nach einer Schreibfeder und Papier, damit sie ihre Ideen über die Errichtung substanzloser Konstruktionen festhalten konnte. Hatte sich nicht Brugent Wareyer dahingehend geäußert, Mathematik wäre so etwas wie ein Akt der Schaffensgabe? Galt das denn ebenso für das Phänomen Sprache?
Gerent hätte es gewusst – sie wünschte sich, Gerent wäre hier. Und sie wünschte sich, sie könnte ihm zeigen, was sie gemacht hatte, und erfahren, was er davon hielt. Vielleicht wüsste er eine Möglichkeit, wie man ihr Verfahren besser verallgemeinern konnte ... oder wie man das Problem umging, dass man auf jeder Seite der Mauer jemanden brauchte, der eine Sprache bereithielt ... Es wäre schön, wenn man im Grunde niemanden zur Hand zu haben bräuchte, der Terheien sprach, um diese Art Konstruktion zu entwickeln, aber derzeit wusste Tehre keine Möglichkeit, das zu vermeiden ... Schließlich sagte sie: »Mairin, mach eine Notiz, ja? Ich möchte nachschlagen, was Wareyer über Recht und Magie sagte und ob er irgendetwas über Sprache als abstraktes Schaffen erwähnt hat, als er über das Recht schrieb. Ich kann das in der Bibliothek meines Vaters nachschlagen. Sorge dafür, dass ich es nicht vergesse.«
Mairin nickte; ihre Augen waren nach wie vor weit aufgerissen und benommen. »Sprichst du – sprichst du Terheien?« Sie wandte sich an Fürst Bertaud. »Hochverehrter Herr, spricht sie ... spricht meine Dame auf ... auf Terheien?«
»Ihr beide sprecht Terheien«, erwiderte der Fürst kopfschüttelnd. Er funkelte Tehre nicht direkt an, aber eindeutig hätte er es gern getan. »Und rede ich jetzt Praken?«
Tehre war verlegen. »Wenn wir alle ständig vergessen, welche Sprache wir gerade reden, werde ich versuchen, mir etwas auszudenken, das die Sache erleichtert. Aber ich denke, die Fähigkeit, hierbei auf dem Laufenden zu bleiben, kommt mit der Übung.«
»Meine Dame Tehre ...« Der Mann aus Farabiand brach ab, schüttelte aufs Neue den Kopf und sagte: »Ich habe Euch für eine Schaffende gehalten. Ich denke jedoch, geschätzte Dame, dass ihr vielmehr eine Magierin seid, oder? Mir war gar nicht klar ...«
»Nicht direkt eine Magierin«, entgegnete Tehre überrascht. »Das ist auch gut so: Magier sind so unpraktisch, wisst Ihr?« Dann fragte sie sich, welche Sprache sie gerade benutzte, und konzentrierte sich darauf, dem Klang der eigenen Worte zu lauschen. Sie fuhr langsam fort und schenkte dem, was sie tatsächlich zum Ausdruck brachte, kaum Beachtung: »Und sie opfern so viel von ihrem natürlichen Charakter, während sie ihre Zauberkunst entwickeln, nicht wahr?« Sie benutzte nach wie vor das Terheien. Anschließend wiederholte sie den Satz sorgfältig auf Praken. Versuchsweise baute sie in Gedanken einen Vortrag darüber auf, unter welchen Belastungen Holz brach, verglichen mit denen, durch die Stahl barst, und widmete sich dabei besonders dem Satzbau ... Die Art, wie sie Ideen fasste, schien im Grunde zu schwanken, je nachdem, welche Sprache sie über ihre Lippen gehen ließ. Das kam unerwartet. Sie sollte es mal mit der Dichtkunst probieren. Das müsste interessante Einblicke in die Natur der Sprache vermitteln. »Fürst Bertaud, seid Ihr mit Dichtung vertraut?«
»Ich habe Angst, irgendein Wissen über irgendetwas einzugestehen«, brummte der Fremde, der die Brauen hob. »Hochverehrte Magierin, ich begreife nicht, wie Ihr das geschafft habt, aber ich ...«
Tehre schüttelte rasch den Kopf. »Ich bin keine richtige Magierin. Habt Ihr mir nicht zugehört? Ein Magier ist ein ... Brennpunkt für Macht, wisst Ihr? So wenigstens drückt es Warichteier aus, und ich vermute, dass er recht hat, wie in den meisten Dingen, glaube ich. Ich selbst bin nicht so.«
Fürst Bertaud hielt die Brauen hochgezogen. »Nein? Ich vermute, ein casmantischer Schaffender kennt den Unterschied zwischen Schaffen und Zauberkunst ...« Leichter Zweifel schwang jedoch in seinem Ton mit.
Tehre zuckte ungeduldig die Achseln. »Ich denke einfach über Dinge nach. Obwohl ich nicht wusste, dass ich ... Ich habe im Grunde zuvor noch nie über Sprachen nachgedacht. Es ist
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