Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
Heilerin. Und ... falls die Konfrontation anders ausgeht, benötigt ihr jemanden, der den Rückzug organisiert.«
Annachudran erweckte den Eindruck, als wollte er protestieren – als wollte er seiner Frau befehlen, sofort, in diesem Moment noch, in den Süden zu fliehen. Er sah aber auch nach einem Mann aus, der wusste, dass er einen solchen Befehl nicht erteilen konnte – oder falls doch, dass diesem nicht Folge geleistet würde. Er sagte nichts, aber er ging zu seiner Frau und berührte ihr Gesicht. Sie hob die Hand und bedeckte damit seine. Keiner von beiden sprach ein Wort.
Beguchren sagte schlicht: »Gut.« Dann fuhr er fort: »Die fünfte Stunde nach Mittag. Darauf müssen wir uns jetzt vorbereiten.« Damit waren sie entlassen, und Annachudran und seine Gemahlin verstanden es auch so. Sie gingen gemeinsam hinaus, ihre Hand in seiner Armbeuge.
Gerent verschränkte die Arme, lehnte sich mit der Hüfte an die Tischkante, schaute nach unten auf die Karte und sah dann auf, um dem Blick der blassen Augen des Magiers zu begegnen. Er sagte nichts.
»Du bleibst in meiner Nähe«, wies Beguchren ihn an. »Wir können es nicht wagen, zu eilig vorzugehen, und doch müssen wir, sobald wir handeln, dies mit Entschiedenheit tun. Sipiike Kairaithin darf keine Gelegenheit erhalten, unsere Absicht zu durchschauen.«
Gerent begrüßte das »Wir«, das ohne eine Spur von Ironie kam. Er nickte.
»Gerent ...«
Gerent hob eine Hand. »Sag es nicht. Es ist nicht nötig, und ich erachtete es als Verunglimpfung.«
Frosthelle Brauen stiegen über Augen hoch, die von der Farbe eines Wintermorgens waren. Der Magier senkte dann jedoch nur den Kopf ein wenig und akzeptierte es.
»Und du?« Gerent las leise Verwirrung aus dem Blick des Magiers und präzisierte die Frage: »Geht es dir so weit gut?«
»Ich komme zurecht«, antwortete Beguchren regungslos. Er stand auf. Falls er derzeit an einer Schwäche litt, so verbarg er es bewundernswert gründlich.
Die Gebirgsausläufer wirkten steiler, wenn man sie zu Fuß erstieg, statt hinaufzureiten. Es war nicht sehr weit bis ins Hochgebirge; sie durchquerten jetzt schon die Gebirgsausläufer, direkt neben dem Teschanken. Oder genauer, neben dem Bett, durch das der Teschanken hätte fließen sollen. Es war staubtrocken, sodass man die vom Wasser abgerundeten Steine sehen konnte. Vor den Männern ragten die gezackten Spitzen der Berge auf. In unmittelbarer Nähe zeichneten sich drei Gipfel scharf vor dem Himmel ab: hohe Granitflanken, die im Licht der Spätnachmittagssonne schimmerten und deren untere Hänge in dunkelgrünen Wald gehüllt waren. Zwei weitere Berge erhoben sich zur Linken, auf der anderen Seite des Flusses, und schienen so nahe, als könnte die Truppe schon bei Anbruch des Abends zwischen ihnen sein.
Nur Aben Annachudran und Beguchren hatten Pferde. Annachudran ritt, weil sich die Notwendigkeit ergeben konnte, dass er sich schnell von einem Ende der Marschkolonne zum anderen bewegen musste, und der Kaltmagier angeblich aufgrund seiner Stellung. Doch der wahre Grund, wie Gerent vermutete, bestand darin, dass Beguchren Kraft sparen sollte. Auch stand dahinter die Absicht, die Leute zu beeindrucken.
Beguchren ritt auf einem Pferd aus Annachudrans Stall, einem grauen Wallach mit kräftiger Hinterhand und fügsamem Wesen. Der Kaltmagier führte weder Bogen noch Speer, noch sonst irgendeine Waffe mit sich, die gefährlicher gewesen wäre als ein kleines Messer am Gürtel, aber er hatte, ohne Gerent damit sonderlich überraschen zu können, irgendwo blaue Bänder gefunden und in Mähne und Schweif des Pferdes geflochten. Kerzengerade saß er im Sattel, die Schultern nach hinten gereckt und den Kopf hoch erhoben. Er trug gute weiße Kleidung, die er den ganzen Weg von Breidechboda bis hierher für genau diesen Zweck mitgeführt haben musste. Winzige weiße Perlen glänzten am Gürtel und den Stulpen der Halbstiefel, und er hatte sich ein einzelnes blaues Band ins weiße Haar geflochten. Mit der ohnehin blassen Hautfarbe und den silbernen Augen wirkte er fast wie aus Eis geschnitzt. All das diente der Absicht, sich deutlich zu präsentieren, und das tat es auch: Es war eine regelrechte Ein-Mann-Parade.
Sie hatten gute Gründe, weitgehend auf Pferde zu verzichten. Niemand, nicht mal Beguchren, wollte tatsächlich ein Pferd in die Wüste führen. Das hier war nicht Farabiand, wo vielleicht Pferderufer zur Hand waren, um die Tiere fügsam zu halten, selbst wenn es Feuer regnete.
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