Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
als kein einziger Dienstbote oder Waffenknecht ebenfalls ein Pferd bestieg, um sie zu begleiten. Er verstand es zwar nicht, aber es überraschte ihn nicht.
Gerent bemerkte, dass Beguchren ritt, als wäre er mit Stutenmilch aufgezogen worden, wie das Sprichwort sagte. Na ja, das war vielleicht nicht allzu verwunderlich. Jedem adligen Jungen brachte man in jungen Jahren das Reiten bei, und das war etwas, das ein kleiner und zierlicher Junge ebenso gut hinbekommen konnte wie seine größeren Brüder und Vettern. Wenn er denn irgendwelche Brüder oder Vettern hatte. Doch das schien wahrscheinlich: Die meisten adligen Familien waren groß.
Gerent stellte fest, dass er sich den kleinen Magier erstaunlich leicht als Jungen vorstellen konnte. Beguchren hatte, wie Gerent vermutete, dieses leere, undeutbare Lächeln in der Kindheit gelernt, um seine Gefühle zu verbergen, als jeder andere Junge größer und stärker war und den kleinen Vetter vermutlich mit Herablassung behandelte. Oder schlimmer noch: mit beiläufiger Missachtung. Gerent war erstaunt über die Stärke der Sympathie, die er für diesen schon lange verschwundenen Jungen aufbrachte.
Sie ritten den größten Teil des Tages lang neben dem Fluss her. Sie sprachen nur selten – Gerent hatte nichts zu sagen, wenn er keine Fragen stellen durfte, und Beguchren schien mit dem Schweigen zufrieden. Der Fluss redete stattdessen und füllte das, was sonst vielleicht eine ungemütliche Stille gewesen wäre, mit fortwährendem Plätschern, während er seine Bahn durch das Schilf und das steinige Bett zog. Der Wasserstand war niedrig, und so traten Bänder aus Kies und Sand zutage, über die zuvor Wasser geflossen war. Libellen hockten auf dem Schilf und zuckten wie edelsteinbesetzte Nadeln über dem braunen Wasser hin und her. Ein Eisvogel stürzte sich wie ein saphirblauer Blitz, nicht weniger rein als die Steine an den Ringen des Magiers, vom überhängenden Zweig eines Baumes und schlug das Wasser zu glitzernder Gischt auf, wo er auf der Jagd nach einer Elritze eintauchte. Die Flachboote hielten sich von den Ufern fern und fuhren in der Mitte der Fahrrinne. Kielboote waren nicht unterwegs; das Wasser hatte sich zu weit von den Ufern zurückgezogen, wo sich die Ochsen sonst ins Zuggeschirr gelegt hätten, um die Boote flussaufwärts zu treideln.
Sie trafen unterwegs nur wenige andere Reisende. Die meisten, denen sie begegneten, zogen nach Süden, und zumeist taten sie es in großen Gruppen. Sie warfen Beguchren und Gerent neugierige Blicke zu, machten ihnen aber respektvoll den Weg frei. Beguchren war auch ohne angemessenes Gefolge offensichtlich ein wichtiger Herr. Gerent kam der Gedanke, dass der kleine Magier das, was ihm an Körpergröße und -kraft abging, mit Bedacht durch zur Schau gestellten Reichtum ausglich. Sobald Gerent diese Idee erst einmal gekommen war, erschien sie ihm naheliegend, ja sogar unausweichlich. Dann erhaschte er jedoch ein boshaftes Glitzern in den Augen des Magiers und war gar nicht mehr sicher, ob diese Erklärung wirklich in irgendeiner Form naheliegend war.
»Pamnarichtan und Raichboda, Manich und Streigan haben allesamt Männer entsandt, um auf der Straße zu patrouillieren«, erzählte ihnen ein Waffenknecht, der die eigene Gruppe verließ, um ein paar Minuten lang neben Beguchren und Gerent herzureiten. »Tatsächlich tragen alle Städte des Nordens zu diesem Kontingent bei – na ja, abgesehen von Taschan. Ihr wisst ja, wie Taschan ist: Sie haben selbst keine Probleme, also was schert es sie? Anders jedoch sämtliche Städte der Provinz Meridanium, denke ich mir, und dazu Pamnarichtan. Wir sind uns alle darin einig, dass wir die Banditen satt haben.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wer sich als schlimmer erwiesen hat: der Abschaum von Melentser, der im Unglück der eigenen Stadt eine große Chance witterte, oder die säumigen Flüchtlinge, die die Reise nach Süden hinausgeschoben haben und sich so selbst als Beute anbieten. Na ja, wir räumen jetzt auf – treiben die Nachzügler nach Süden und hängen den Abschaum auf, der sich dem Straßenraub zugewandt hat –, aber ich möchte nicht behaupten, dass man in Sicherheit ist, wenn man hier mit nur einem einzigen Gefolgsmann einherreitet.« Er nickte Beguchren respektvoll zu. »Verzeiht bitte die Dreistigkeit, so offen zu sprechen, mein Fürst.«
Gerent äußerte sich nicht dazu, dass der Mann ihn als Beguchrens Gefolgsmann einstufte; in zu vielen Hinsichten entsprach
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