DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
und leuchtete aus den Augen. Hinter ihnen färbte der aufgewirbelte Sand den Himmel blutrot, und unter ihnen fiel Feuer wie Regen aus dem Schlag ihrer Schwingen.
In diesen ersten Augenblicken dachte Jos, sämtliche Greifen auf der Welt wären erschienen, um Kes zu rächen. Dann bemerkte er sowohl, dass nur eine doppelte Handvoll Greifen tatsächlich aus diesem feurigen Wind zu ihnen herabstießen – obwohl das ihm reichlich genug erschien –, als auch, dass Kes gar nicht gerächt werden musste. Denn Kairaithin hatte sein Ziel nicht erreicht.
Zumindest noch nicht. Ein Blitz aus weißem und goldenemFeuer goss sich aus eigener Kraft durch den Wind und formte sich wieder zur Gestalt einer Menschenfrau. Kairaithin, schön und entsetzlich, wie er sich dort gewaltig vor dem Himmel aufbäumte und der Wind seiner Macht tosend durch seine schwarzen Schwingen fuhr, griff sie erneut an. Abermals platzte sie zu Feuer und Wind auseinander. Sie konnte seinen Angriff nicht erwidern oder wollte es nicht; zumindest tat sie es nicht. Sie floh. Kairaithin benutzte jedoch seine Kraft, um ihr den Weg zu versperren – sie an der Wand festzunageln und sie erbarmungslos wieder zur Annahme ihrer Gestalt zu zwingen. Er hatte vor, sie zu töten, sie zu vernichten, und sie war ihm nicht gewachsen. Jos stieß einen wortlosen Laut hervor, hatte aber gar nicht bemerkt, dass er einen Satz nach vorn gemacht hatte, bis Bertaud ihn aufhielt. Der Fürst umklammerte so fest seinen Arm, dass Jos sich nicht daraus befreien konnte. Er wollte Bertaud schlagen. Stattdessen hielt er jedoch inne und beugte sich nur vor, die Fäuste geballt.
Kiibaile Esterire Airaikeliu, der Herr von Feuer und Luft, der König aller Greifen, stieß aus dem Himmel herab. Seine gewaltige Macht traf schon vor ihm in Gestalt eines unbewegten Wirbelsturms ein – Jos wusste nicht, wie er es anders ausdrücken sollte. Jede andere Macht wurde davon niedergewalzt und zu Stille zermalmt. Der Wind selbst erstarb; die Luft befreite sich von ihrem roten Staubschleier; die Flammen, die aus dem Wüstensand emporgelodert waren, erstarben.
Auf allen Seiten endeten die Kämpfe. Kairaithin setzte sich langsam auf den Boden zurück und faltete die mächtigen Schwingen ein. Kes, die winzig, hilflos und verängstigt wirkte, befreite sich langsam vom Wall und wandte sich den anderen wieder zu, mit einer Hand an die feuerüberspülte Mauer gelehnt, um Halt zu finden. Der Herr von Feuer und Luft landete unweit von ihr und der grausame weiße Greif Tastairiane Apailika hinter ihr. Ruuanse Tekainiike, der in dieser Gesellschaft viel jünger und kleiner wirkte, setzte argwöhnisch unweit dieser Gruppe auf. Der junge Greifenmagier war letztlich doch nicht geflohen, wie Jos verspätet klar wurde, sondern hatte den König und sein Gefolge hierhergeführt.
Und jetzt, da der König hier war, hatte Kairaithin verloren. Keinerlei Spott lag mehr in dem Blick, den Kes ihm zuwarf, sondern eher vorsichtiger Respekt. Aber selbst der größte Greifenmagier konnte sie nicht wieder bedrohen, nicht …
Kairaithin hatte sich zum Herrn von Feuer und Luft umgedreht und schleuderte noch einen schmalen Blitz aus Macht wie ein Wurfmesser auf Kes. Er sah sie dabei nicht mal an; sein Angriff überraschte alle, besonders Kes. Es war ein Angriff von solcher Macht und Stärke, dass er glatt die vom Greifenkönig verbreitete wuchtige Stille durchschlug; und da Kes ihn weder abwehren noch erwidern konnte, wollte sie zur Seite springen. Aber alle, sogar Jos, konnten sehen, dass sie nicht annähernd schnell genug war.
Alle bewegten sich in einer Woge von Schnelligkeit und Zorn: Opailikiita mit einem eigenen Blitz aus Zaubermacht, um Kairaithins Angriff zu parieren; der Herr von Feuer und Luft warf sich nach vorn, um Kes zu schützen, und die Gefährtin des Königs sprang ihm nach; Tastairiane und ein halbes Dutzend weitere Greifen stürzten sich gleichzeitig auf Kairaithin. Dieser wurde von ihren vereinigten Kräften überwältigt, aber nur für einen Augenblick, denn er war ein sehr mächtiger Magier, und weder Tastairiane noch irgendeiner seiner früheren Schüler war ihm gewachsen.
Obwohl der Greifenmagier zum Rückzug gezwungen wurde, bis er sich schließlich an den Wall gedrückt wiederfand, hatte sein Angriff das Ziel erreicht. In dieser Hinsicht konnte kein Zweifel bestehen, denn sogar Jos und Bertaud, so fehl am Platzsie hier waren, spürten den Nachhall von Macht, Verlust und Zerstörung, wie er wieder und
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