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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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gefunden. Doch die letzten davon waren jetzt schon vor langer Zeit ausgebrannt worden.
    Keiner der jungen Greifenmagier, die sie flankierten, reagierte überhaupt auf Kairaithin. Das war auch nicht zu erwarten, wie Jos wusste. Kein Greif würde mit Kairaithin reden, nach dem zu urteilen, was dieser erzählt hatte – dass er nämlich allein flog. Der bullige, breitschultrige Ruuanse Tekainiike duckte sich ein wenig; mit einem starren Klirren richtete sich sein Gefieder auf, das von einem Meisterschmied aus Bronze gehämmert und mit Einlegearbeiten aus Gold verziert hätte sein können. Er wirkte brutal und gefährlich, aber er begegnete nicht Kairaithins Blick. Seinem früheren Lehrer war er nicht gewachsen, und niemand, am wenigsten Tekainiike selbst, war darüber im Zweifel.
    Opailikiita warf in dieser Hinsicht durchaus Fragen auf. Opailikiita Sehanaka Kiistaike … Sie war schon Kairaithins Schülerin gewesen, lange bevor er Kes aus dem Land der Erde raubte und in eine Kreatur des Feuers verwandelte. Von schlanker und kleiner Gestalt war sie, ihre Schönheit eher unterschwellig als auffällig. Sie war jedoch mächtiger, als der erste Eindruck glauben machte. Jos hatte sie früher einmal gut gekannt. Als Opailikiita den Kopf wandte, erkannte sie damit nicht Kairaithins überlegene Kraft an, wie Jos vermutete. Er dachte vielmehr, dass sie bedauerte, was ihr alter Lehrer verloren hatte. Oder zumindestwar es ein Greifengefühl, das dem Bedauern ähnelte, jedoch hitziger und gewalttätiger war als bloßes Bedauern. Eine Art zornige Trauer vielleicht.
    Kairaithin ließ sich jedoch nicht reizen, weder von der Verachtung in Kes’ Stimme noch von der demonstrierten Gleichgültigkeit seiner früheren Schüler. Vielleicht war ihm das wirklich egal. Er sagte: »Du verstehst weniger, als du glaubst.« Als er jedoch einen Schritt vortrat und eine Hand hob, verfolgte er nicht die Absicht, Kes Vorhaltungen zu machen, wie Jos zunächst gedacht hatte. Vielmehr griff er sie mit einer unerwarteten Woge von Macht an, die glatt durch sie hindurchbrannte und die anderen Greifen heftig zur Seite schleuderte.
    Kes zerplatzte unter diesem Schlag zu Feuer und Luft. Sie fand nicht mal die Zeit für einen Schrei. Opailikiita stieß einen Schrei aus: den rauen kratzenden Schrei eines wütenden Greifen. Sie stürzte sich furchtlos auf Kairaithin, der lediglich einen heftigen Wind heraufbeschwor und sie damit zur Seite fegte, wo sie von der Böe über den Sand gewirbelt wurde. Der junge Tekainiike, der ebenfalls aufschrie, prallte erschrocken zurück und sprang dann in die Luft, wo er mit donnernd schlagenden Schwingen Höhe zu gewinnen trachtete. Er ergriff die Flucht, wie Jos erschrocken feststellte, der nie erwartet hätte, dass ein Greif vor einem solchen Kampf flüchtete.
    Jos hatte ebenfalls vor Schrecken und Trauer geschrien. Er war auf alle viere geschleudert worden, denn von Kairaithins Macht nur gestreift zu werden kam bereits dem Hieb eines Schmiedehammers gleich. Halb geblendet von Wind und wirbelndem Sand – der zornigen Greifen ringsherum gewahr –, schaffte es Jos nicht einmal, aus dem Weg zu kriechen. Er bemerkte, dass sich Kairaithin aufrichtete, dass dessen Menschengestalt förmlich explodierte und sich dem gewaltigen Schatten anglich, dass schwarzes Gefieder die Luft über Jos peitschte; erbemerkte, wie Feuer prasselnd über den Himmel fuhr und wie brennende Winde tosend aus dem hohen, strengen Himmel herabfuhren …
    Dann packte Bertaud ihn am Arm. Der Fürst hatte als Erster das Gleichgewicht wiedergefunden, und als Einziger gab er keinen Laut von sich. Jos kam die flüchtige Erkenntnis, dass Bertaud womöglich vermutet hatte, Kairaithin würde Kes angreifen, denn der Fürst war offenkundig darauf vorbereitet gewesen. Jetzt zerrte er an Jos, der mit seiner Hilfe wieder auf die Beine kam; beide duckten sich aus der gewalttätigen Bahn von Wind und Feuer und schirmten die Gesichter mithilfe der Arme vor dem umherfliegenden Sand ab.
    »Ihr wusstet …«, hob Jos an und überschrie dabei die Wut des Windes und der Greifen, musste dann jedoch husten und konnte nicht mehr den Satz beenden.
    Er erfuhr nicht, welche Antwort der Fürst aus Farabiand ihm womöglich erteilt hätte, denn die übrigen Greifen stießen jetzt rauschend aus dem Sturm herab; das harte Sonnenlicht der Wüste spiegelte sich auf Schwingen und Flanken wie auf Bronze, Kupfer und Gold. Das bösartige Licht glänzte auf messerscharfen Schnäbeln und Klauen

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