DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
nicht in einem machtvollen Abwehrblockaufgestellt waren, würde es diesmal keinesfalls reichen, sollte es zur Schlacht kommen.
Es wurde erkennbar, dass Iaor Safiad selbst Späher eingesetzt hatte, die sich vor seiner Hauptmacht bewegten, denn er schien nicht überrascht von dem, was er in der offenen Landschaft am Fluss vorfand. Seine Männer verließen geordnet die Straße und stellten sich in eigenen Reihen auf, die breiter und viel tiefer gestaffelt waren als die casmantischen Linien: Das hier war schließlich Safiads Hauptmacht, die aus allem bestand, was er in großer Eile hatte sammeln können. Farabiand war es gewöhnt, auf beiden Seiten schwierige Nachbarn zu haben, und so gehörten ein großer Teil der gesamten männlichen Bevölkerung, ebenso Stadt- wie Landbewohner, dem Heer an. Das Heer Farabiands wies vielleicht relativ wenige Berufssoldaten auf, aber seine Miliz war groß, erfahren und schnell zu mobilisieren. Und beritten. Farabiand rühmte sich seiner Pferde und wusste sehr gut, welchen machtvollen Vorteil seine berittenen Kompanien boten. Sie wurden auch von anderen Geschöpfen begleitet, wenn sie in die Schlacht ritten: Falken und sogar Adler hockten auf mehr als nur einer Schulter, und die Anzahl der Raubvögel wurde noch von der der Mastiffs weit übertroffen, die mit ihren kräftigen Schultern und noch kräftigeren Kiefern furchterregend aussahen.
Aber auch wenn es Beguchren an Pferden und Hunden mangelte, so hatte er doch die Dame Tehre dabei, die als Waffe viel wertvoller als jede beliebige Anzahl Speere war. Er fragte sie: »Wie stark sind wir in der Unterzahl, was denkt Ihr?«
»Hmm?« Die Dame saß auf einer hübschen rotbraunen Stute. Tehre, die ein praktisches Reisekleid mit einem Reitrock trug und Kupferspangen an beiden Handgelenken hatte, wirkte zerstreut. »Nicht viel schlechter als eins zu vier«, meinte sie und blickte lässig über das Feld. »Vier und ein Bruchteil, glaube ich.Etwa vier und ein Zehntel. Wisst Ihr, ich glaube doch nicht, dass man mit all dieser tiefen Erde viel anfangen könnte.«
»Oh?«, entfuhr es Beguchren.
»Nein. Ich denke, es wäre das Richtige, ihre Bögen zu brechen. Oder vielleicht ihre Pfeile. Die Bögen sind recht widerstandsfähig gegen Durchbrechen, wisst Ihr, besonders bei der herrschenden kühlen Temperatur. Aber sie brechen wahrscheinlich durch, falls es auch die Pfeile in dem Moment tun, wenn die Schützen die Sehne loslassen.«
»Ah.«
»Obwohl ein solches Vorgehen zeitlich präzise gesetzt werden müsste, selbst wenn sie Salven abfeuern«, ergänzte die Dame Tehre nachdenklich. »Vielleicht sollten wir lieber darüber nachdenken, wie …«
»Bitte unternehmt gar nichts, solange nicht feststeht, dass die Farabiander Truppen angreifen«, mahnte Beguchren. »Und sollte es dazu kommen, zöge ich es vor, wenn Ihr so wenig tut wie nur irgend möglich, was trotzdem noch eine vernünftige Chance auf Erfolg hätte.«
Der Blick der Dame wurde schärfer. Einen Augenblick später lächelte sie. »Ich verstehe.«
Beguchren erwiderte ein leises Lächeln, denn er war zuversichtlich, dass sie es wirklich tat, ungeachtet ihrer scheinbaren Zerstreutheit.
Er ritt allein über das Feld auf die Farabiander Linien zu. Er näherte sich ihnen zu Pferd, weil er damit ebenso Selbstbewusstsein zeigte wie auch friedliche Absichten, denn er lenkte sein Pferd in die Reichweite Farabiander Pferderufer. Außerdem konnte der casmantische Befehlshaber ja schlecht zu Fuß durch Schlamm und Gras laufen, und vor allem benötigte er die Größe und Schönheit des Pferdes, um den nötigen Auftritt hinzubekommen. Das Pferd war eine sehr schöne weiße Stute,nicht groß, aber hübsch und elegant. Man hatte ihr für diesen Anlass blaue Bänder in Mähne und Schweif gebunden. Beguchren trug, passend zu ihr, Weiß mit blauen Stickereien und Perlenbesatz. Gemeinsam sorgten sie so für einen brillanten Auftritt, was eine Fähigkeit war, über die Beguchren ungeachtet all dessen, was er verloren hatte, nach wie vor verfügte.
Iaor Safiad saß im Zentrum der Farabiander Linien auf einem schlichten Braunen mit guten Schultern und kräftiger Hinterhand, an dem sich kein einziges Schleifchen befand. Der König ritt Beguchren nicht entgegen. Und er schickte auch keinen anderen vor, um Beguchren zu empfangen, was eher dem Protokoll entsprochen hätte. Er lenkte sein Pferd nur wenige Schritte vor und wartete dann; so zwang er Beguchren, den ganzen Weg bis zu ihm zurückzulegen.
Der
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