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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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vorzuweisen? Wir sind nicht nur zu unseren Anfängen zurückgekehrt, sondern darüber hinaus gegangen. Wir blicken auf ein Gelände, das wir zurückgewinnen müssen, um wieder an jenen Ort zu gelangen, wo wir angefangen haben …«
    »Schreib etwas!«, verlangte Maianthe in scharfem Tonfall.
    Tan schüttelte erneut den Kopf. »Das kann ich nicht. Ich wage es nicht. Ich weiß nicht, wie ich es in Angriff nehmen sollte. Das ist kein Buch, Maia, sondern etwas anderes in Gestalt eines Buches. Wenn es ein Werk der Rechtskunde ist, dann jedoch keines, das ich wiedererkennen würde, nicht mal jetzt.«
    Maianthe presste die Lippen und die Kiefer zusammen und erzeugte so wieder jene entschlossene Miene, mit der sie schon Berge und Könige bezwungen hatte. Dann erklärte sie: »Wir bringen es Gerent Ensiken. Notfalls den ganzen Weg zurück zu Beguchren Teshrichten. Er wird wissen, was damit zu tun ist.«
    Sie erwähnte nicht, wie sie das Haus verlassen und durch die Stadt zurückgehen könnten: Nun, es war mehr als wahrscheinlich, dass sie sich an nichts von dem verschlungenen, schwierigen Weg erinnerte, auf dem sie beide es bis hierher geschaffthatten. Maianthe sagte auch nichts davon, dass sie außerhalb des Hauses in der Falle säßen ohne diesen seltsamen Spiralweg, den sie durch Licht und Schatten gezogen hatte, um das letzte kleine Stück hierher zu schaffen … Mit einer scharfen, entschiedenen Handbewegung klappte sie das Buch zu.
    Auf einmal sagte Tan, den das Muster zum ersten Mal förmlich ansprang: »Auf dem Einband ist eine Spirale abgebildet.«
    Maianthe blinzelte und sah hin.
    Tan zeichnete das Muster für sie in die Luft, die Fingerspitze ein kleines Stück über dem Ledereinband. Da war eine Spirale, wenn man danach Ausschau hielt … tatsächlich nicht nur eine, sondern mehrere ineinandergreifende Spiralen – in das gemusterte Leder eingelassen und umfasst von Kreisen und Ellipsen. Manche der Spiralen standen hervor und wiesen nach rechts, aber zumindest eine war vertieft eingeprägt und nach links gewendet.
    Maianthe zeichnete die Spirale selbst nach und brauchte nicht davor zurückzuschrecken, das Buch anzufassen. »Erde«, sagte sie.
    Tan blickte auf. Am liebsten hätte er gefragt, was sie damit meinte, fürchtete sich aber davor, die Inspiration zu stören, die sie womöglich erhalten hatte.
    »Erde«, beharrte Maianthe und zog die nächste Spirale nach: eine kleinere, die in die erste hineinlief und sich dann abwandte und einer eigenen Richtung folgte. Und die dritte: klein und um die zweite geschlungen. »Feuer«, sagte Maianthe, »und Wind.« Sie entdeckte eine weitere Spirale; diese war tief in das satte Leder eingeprägt. Als Maianthe sie berührte, zog sie die schmalen Augenbrauen zusammen und zeigte einen Ausdruck, der von so etwas wie Schmerz kündete. »Oh. Die wilden Höhen.«
    »Maia …«
    »Ja«, murmelte die junge Frau. Sie stand auf, nahm Tan die Krähenfeder aus der Hand und kehrte ins zentrale Wohnzimmer ihrer Zimmerflucht zurück. Dort verschob sie Stühle in alle Richtungen, trat einen Teppich zur Seite und bückte sich, um eine Spirale direkt auf die nackten Bodenplanken zu zeichnen.
    Um nichts in der Welt hätte Tan sie stören wollen. Er zerrte ihr ein Sofa aus dem Weg; nachdem er einen Augenblick lang nachgedacht hatte, stellte er es hochkant und lehnte es in das kleine Schreibzimmer hinein. Dann blieb er unter der Tür stehen und verfolgte mit gespannter Faszination, wie Maianthe den ersten großen Außenring vollendete und dazu überging, die Spirale nach innen weiterzuzeichnen.
    Ein nur ansatzweise hörbarer Alarmruf ertönte. Tan hob ruckartig den Kopf und lauschte. Der Schrei wiederholte sich – inzwischen näher, da war sich Tan ganz sicher. Maianthe schien ihn nicht zu bemerken, aber Tan fürchtete, der Alarm könnte sie alsbald zwingen, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Er wünschte sich, er hätte gewusst, was es bewirkte, wenn man Spiralen auf den Fußboden zeichnete, oder – was vielleicht die dringlichere Frage war – wie lange es dauerte, um das Werk zu vollenden. Er führte keinerlei Waffen mit und hätte sich ohnehin nicht besonders auf den Umgang damit verstanden; selbst wenn er ein Schwert zwischen den Kleidern in Maianthes Schrank versteckt gefunden hätte, wäre es von geringem Nutzen gewesen. Es war ja gut und schön, wenn man Stühle unter die Griffe der Außentüren zur Zimmerflucht und denen zum Wohnzimmer klemmte, aber davon ließen sich Berufssoldaten

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