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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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weitläufigen großen Haus.
    Auf diesem Platz und in den Gartenanlagen rings um das große Haus hielt sich die Hauptmacht der Linulariner Soldaten auf. Linulariner Soldaten traf man jedoch in der ganzen Stadt an, wo sie die Wohnungen über den Geschäften besetzt hielten und sich in den Läden selbst breitgemacht hatten.
    »Aber sie nehmen sich nicht allzu viel heraus«, hatten die Stadtbewohner mit der widerstrebenden Haltung von Menschen gesagt, die sich zur Fairness gezwungen fühlten. Der Glaser hatte hinzugesetzt: »Sie erlauben jedem, der möchte, Tiefenau zu verlassen, was viele Leute getan haben. Es gab keine großen Plünderungen und noch weniger mutwillige Brandschatzungen. Solange ich selbst noch dort war – ich muss mich um ein Geschäft kümmern, aber ich habe meine Frau zu ihrer Cousine bei Saum geschickt –, habe ich miterlebt, wie Linulariner Offiziere einen der eigenen Männer wegen Diebstahls auspeitschten und«, er nickte mit grimmiger Zufriedenheit, »einen Mann aufhängten – gut so –, weil er ein Mädchen vergewaltigt hatte.«
    »Eine milde Besatzungsmacht: Sie möchten vermeiden, dass Euer Volk sie auf Generationen hinaus hasst«, hatte der Arobarn gesagt und damit das Offensichtliche festgestellt.
    »Sie möchten nur dieses Buch – und Tan«, hatte Gerent Ensiken hinzugefügt. »Sie müssen wissen, dass es hier ist. Und dieDame Maianthe hat recht: Sie haben es noch nicht gefunden. Ich kann jedoch nur Mutmaßungen darüber anstellen, was sie daran hindert. Wenn es auch nur ein Zwanzigstel so auffällig ist wie Tan selbst, müsste selbst ein blinder Magier direkt zu ihm vordringen.«
    »Vielleicht ist es also nicht ein Zwanzigstel so auffällig«, hatte Tan nicht ohne Schärfe entgegnet. »Sollen wir nun hier herumstehen und von einem Tag bis zum nächsten diskutieren, oder sollen wir weiterziehen?«
    Sie waren weitergezogen. Maianthe hatte keine Vorstellung davon, was der Arobarn gegen die Linulariner Soldaten in den Häusern oder die Truppe auf dem Marktplatz zu tun gedachte; sie hatte sich einfach nicht auf seine Worte konzentrieren können. Sie wusste, dass sich Tan in ihrer Nähe aufhielt, aber Gerent Ensikens war sie kaum gewahr, obwohl der Magier auf der anderen Seite dicht neben ihr ritt. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem großen Haus, dem Buch, dem drängenden Wunsch, es zu erreichen und – etwas zu tun. Sie konnte sich das Buch in Gedanken deutlich vorstellen, aber sie konnte kein Bild von dem gewinnen, was sie, Tan oder Gerent damit zu tun vermochten. An etwas anderes konnte sie jedoch überhaupt nicht denken. Bilder des Buches beanspruchten fast ihre ganze innere Vorstellungswelt. Sie hätte jede Krümmung und Linie des verzierten Einbandes nachzeichnen können; sie hätte sagen können, wie viele Seiten es umfasste. Sie spürte die Beschaffenheit des Leders und des guten, dicken Papiers an den Fingerspitzen. Sie dachte: Hätte sie selbst danach gesucht, dann wäre sie direkt zu ihm vorgedrungen, mit der gleichen Gewissheit, die einem Fluss den Weg zum Meer wies. Und natürlich suchte sie ja tatsächlich danach, und als man ihr endlich ermöglichte, sich zu ihm hinzubewegen, nahm sie mit genau dieser Gewissheit Kurs darauf.
    Und so wusste Maianthe nicht, wie der Arobarn seine Männer oder die Milizkompanien einteilte; sie wusste nicht, welche Vereinbarungen er mit den Stadtbewohnern und den Bauern der Umgebung traf oder auch nur, ob auf den Straßen der Stadt gekämpft würde, wenn sie dort eintrafen. Entfernt wurde ihr klar, dass sie weitgehend blind geworden war. Oder im Grunde nicht blind . Es war kein Leiden der Augen, sondern eines der Aufmerksamkeit. Bisweilen blinzelte sie und stellte fest, dass ihr ein ganzes Stück Zeit einfach fehlte. Sie bekam mit, wie sie noch außerhalb der Stadt unterwegs waren, und dann, dass sie sie betreten hatten und sich zwischen grau gestrichenen Häusern bewegten, einer schmalen Gasse folgten, wo es nach warmem Regen, dampfenden Pflastersteinen, Pferdekot und Brot in Backöfen roch, und dass der Einfallswinkel und die Eigenschaft des Lichts ganz anders waren. Dann blinzelte sie erneut, und nur das Straßenpflaster sah noch genau so aus wie zuvor, denn die Häuser waren hier weiß gestrichen, und bei den Gerüchen fehlte das Brot; stattdessen duftete es nach sich rankenden Trompetenblumen, und die Schatten waren lang und die Luft viel kühler geworden. Und doch hatte Maianthe nicht das Gefühl, dass Zeit vergangen war: Ihr ganzes

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