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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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geglitten.
    Maianthe war das entsetzlich peinlich. Bertaud hatte ihr die Verantwortung übertragen, oder etwa nicht? Es war somit ihre Pflicht und ihre Verantwortung, Tan zu schützen, und sie hatte beinahe versagt. Sie konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie enttäuscht Bertaud über sie gewesen wäre, hätte sie zugelassen, dass Linulariner Agenten einen Mann zweimal aus seinem Haus entführten. Sie hatte ja vorgehabt, bei Geroen nachzufragen, wie sich seine Männer mit denen der Königin abstimmten, aber sie hatte es vergessen. Und ihre Vergesslichkeit hätte Tan beinahe … wahrscheinlich alles gekostet, wie sie vermutete.
    »Es tut mir leid«, sagte Maianthe zu Tan, sobald die Lage geklärt zu sein schien und im Haus wieder alles friedlich war.
    Tan saß auf einem Sofa im Wohnzimmer der Königin – nun ja, eigentlich in Bertauds Wohnzimmer, aber ihrer königlichen Gegenwart überlassen – und blickte Maianthe mit hochgezogenen Brauen entgegen. Er strahlte so etwas wie eine gekünstelte Theatralik aus, aber als eine Haltung, die er zur eigenen Erheiterung und der seiner Begleiter einnahm und die keiner von ihnen ernst nehmen sollte. Dieser dramatische Ausdruck wurde noch von dem Gehstock unterstrichen, den jemand für ihn aufgetrieben hatte, ein ansehnliches, aus Zypressenholz geschnitztes Stück mit einem Messingknauf an der Spitze – von der Art, wie ihn ein gealterter Edelmann führen mochte. Maianthes Vater hatte einen benutzt und stets den Eindruck erweckt, er könnte die Dienstboten damit prügeln, obwohl er das nie getan hatte.
    Tan verschränkte die Hände auf dem Gehstock und starrteMaianthe in übertriebener Verblüffung darüber hinweg an. »Ihr entschuldigt Euch bei mir? Wofür? Wegen einer zweiten rechtzeitigen Rettung?«
    »Eine zweite Rettung hätte nicht nötig sein dürfen!«, rief Maianthe aus.
    »Ihr habt vollkommen recht! Das hätte es gewiss nicht.« Tan schlug einen lässigen Ton an, aber dann zögerte er und fuhr mit leiserer Stimme fort: »Ich hatte eine Schreibfeder zur Hand genommen. Ich wollte nur einen kurzen Text verfassen, ein Gedicht für Euch vielleicht – ich weiß nicht mehr so recht, was mir vorschwebte. Ich denke inzwischen – tatsächlich scheint es jetzt völlig offenkundig –, dass Istierinans Magier meine Rechtskundigengabe ausnutzt. Auf irgendeine Weise. Ich denke, er findet mich, sobald ich eine Schreibfeder zur Hand nehme. Ich habe keine Ahnung, wie er das macht; aber ich bin ja auch kein Magier. Wäre ich nicht wieder einmal von Euch gerettet worden, dann hätte ich nach meinem erneuten Irrtum wohl nichts weiter benötigt als ein zeitiges Begräbnis, und wahrscheinlich hätte ich dazu nicht mehr bekommen als ein Schlammloch im Sumpf.«
    Die Königin saß derweil auf dem kunstvollsten und teuersten Kirschholzstuhl im Raum, hatte das Kinn auf die Handfläche gestützt und überließ die beiden ihrer Auseinandersetzung. Sie wirkte weniger erschrocken, als Maianthe erwartet hatte, aber gründlich verärgert. Ein halbes Dutzend ihrer Damen trieben sich um sie herum, flüsterten hinter vorgehaltener Hand miteinander und wirkten unsicher und besorgt und viel weniger niveauvoll und dekorativ als noch wenige Stunden zuvor. Die übrigen Hofdamen waren zu Maianthes erheblicher Erleichterung nicht zu sehen; vorläufig waren mehrere grimmig blickende königliche Wachleute an ihre Stelle getreten, die kein Wort sprachen. Sie schienen so verlegen über das Versagen ihrer Bewachung, wie es Maianthe über den eigenen Mangel an Vorausschau empfand.
    Die Tür auf der anderen Zimmerseite ging auf, und Geroen trat ein. Iriene begleitete ihn, was ein wenig kühn von ihr war, denn sie begab sich nunmehr in die Gegenwart der Königin, ohne dass man nach ihr geschickt hätte. Maianthe gelangte zu dem Schluss, dass dies der Heilerin egal war.
    Geroen verneigte sich tief vor der Königin und wandte sich dann, völlig korrekt, Maianthe als der Herrin des Deltas zu. »Meine Dame«, hob er steif an, »wir finden nirgendwo in der Stadt mehr eine Spur dieser erbärmlichen Linulariner Feiglinge. Nicht, dass meine Männer übermäßig zuverlässig wirkten, als es darum ging, dieser Leute ansichtig oder habhaft zu werden. Die hochverehrte Iriene stimmt jedoch dieser Schlussfolgerung zu.«
    »Nicht, dass ich es besonders gut wüsste«, schränkte die Magierin ein und gestand so mit trockenem Humor ihren eigenen Mangel an Kräften ein.
    »Ich denke, Istierinans Magier muss außerordentlich

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