DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
oder gar Geroen wagte es, Maianthe gewaltsam auf ein Pferd zu setzen, besonders nicht mehr ihrer kategorischen Erklärung, dass man ihre Hände schon an den Sattelknauf binden müsste, damit sie im Sattel bliebe.
Tan war im Grunde nicht überrascht von der Entschiedenheit, mit der Maianthe auf ihrem Standpunkt beharrte, auch wenn er sah, dass es alle anderen waren, vielleicht von Hauptmann Geroen abgesehen. Er starrte dem sich entfernenden Gefolge der Königin nach und empfand dabei eine düstere Zufriedenheit, obwohl er in gespielter Bestürzung den Kopf schüttelte, als er Maianthes Blick auffing. »Wie traurig!«, rief er. »Dort reiten sie alle davon und lassen uns allein zurück.«
Maianthe schaute ihn gedankenverloren an – und sah dann erneut und gründlicher hin. »Solltet Ihr auf diesem Bein stehen?«
Scharfsichtiges Mädchen. Tan hatte gedacht, er hielte den Gehstock scheinbar lässig. Offensichtlich war das nicht der Fall. Statt so zu tun, als hätte er sich nicht schwer auf den Stock gestützt, lächelte er und sagte: »Dieses Bein besteht darauf, mir überallhin zu folgen, selbst an Orte, denen es an Sitzgelegenheiten mangelt. Die hochverehrte Iriene ist leider nicht hier, um mich auszuschelten. Ich bin sicher, dass ich mich alsbald wieder setzen werde. Beklagenswerterweise auf ein Pferd, aber wir alle haben die eine oder andere Bürde zu tragen.«
Maianthe starrte ihn an und lachte schließlich. Ein wenig widerstrebend zwar, aber sie lachte.
»Ah, seht nur«, setzte Tan hinzu und zeigte ihr mit dem Kopf an, wohin sie schauen sollte. »Hier sind einige dieser ernsthaften jungen Männer Geroens – Tenned, mein Freund, wie ergeht es Euch in dieser schönen Nacht?«
Der junge Wachmann, der von einem Kameraden begleitet wurde, fuhr sich mit der gereizten Hand durch die Haare und funkelte Tan an, vielleicht, um es Hauptmann Geroen gleichzutun. »Ich wäre Euch doppelt dankbar, hochverehrter Herr, wenn Ihr ins Haus gehen und uns nicht in die Quere kommen würdet.« Er blickte Maianthe an und fuhr in viel gewinnenderem Ton fort: »Ihr auch, meine Dame, falls Ihr so freundlich sein wollt.«
Tan blickte sich mit großer Geste um. »Schier jeder könnte hier draußen unterwegs sein«, sagte er mit leiser, drängender Stimme, dann fuhr er in normalem Gesprächston fort: »Leider trifft das sogar zu.« Er zögerte und blickte Maianthe an. »Hochverehrte Dame …«
»Ja«, sagte Maianthe und erwiderte seinen Blick. »Ihr solltet natürlich gehen. Tenned und Keier mögen Euch begleiten.« Sie sah die beiden jungen Wachleute streng an. Keiner von ihnen erhob Einwände.
»Nicht nach Norden«, sagte Tan.
»Nein …«, pflichtete ihm Maianthe geistesabwesend bei und hätte vielleicht noch etwas gesagt, aber ein fernes Klirren und Hämmern schnitt ihr das Wort ab. Eine ganze Weile lang standen alle auf dem Hof des Stalls völlig regungslos und lauschten.
»Im Süden wird gekämpft«, stellte Tan fest, was alle schon wussten. »Und natürlich im Westen. Ich wende mich also nach Osten.«
Maianthe zögerte einen Augenblick lang und überraschte ihn dann, indem sie auf ihn zutrat, ihn an den Händen fasste und ihm ernst ins Gesicht sah. »Seid vorsichtig, Tan. Seid vorsichtig, geht kein Risiko ein! Seid schnell, bleibt in Sicherheit! Sucht das Haus meines Vaters auf, gleich nördlich von Kames. Benutzt meinen Namen … Keier, man kennt Euch doch in Kames, nicht wahr? Tan …« Sie drückte seine Hände und ließ dann los. »Lebt wohl. Achtet darauf, dass es Euch wohl ergeht. Ihr müsst trotzdem eines Tages einige höfische Epen aus Linularinum für mich niederschreiben. Ich rechne damit, hört Ihr?«
»Ich freue mich darauf«, sagte Tan, der verwirrt und seltsam froh war. »Und Ihr – geht keine törichten Risiken ein, hochverehrte Maianthe! Ich brauche jemanden, der Linulariner Hoflyrik zu würdigen versteht.«
Maianthe brachte ein Lächeln zustande, wandte sich ab und lief ins Haus. Tan hätte ungern darauf gewettet, was sie noch alles tun würde. Zu tapfer, als gut für sie war; und mit einem tiefen Gespür für persönliche Verantwortung … Er stellte fest, dass er sich persönlich um ihre Sicherheit sorgte – viel mehr, als er erwartet hätte –, und blinzelte überrascht.
Aber die junge Frau, das große Haus und die ganze Stadt würden wohl mehr Sicherheit haben, sobald Tan ein gutes Stück entfernt war. Er blickte Tenned und Keier an.
»Wir machen uns sofort auf den Weg, hochverehrter
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