DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
dass es eine gute Idee war, wenn sich die Königin zurückzog, setzte aber sogleich hinzu: »Aber nicht mit mir in ihrer Gesellschaft. Nein.«
Maianthe schaute ihm in die Augen, und er wusste sogleich,dass sie ihm beipflichtete: Er durfte sich nicht der Gesellschaft der Königin anschließen, für den Fall, dass sie alle sich irrten und die Linulariner Truppen doch ausschließlich Tans wegen im Einsatz waren.
»Ihr hingegen solltet die Königin gewiss begleiten«, riet er Maianthe.
»Oh«, entfuhr es ihr; sie schien von diesem Vorschlag richtig überrascht zu sein. »Nein, unmöglich. Nein, ich bleibe hier. Es ist nur recht …«
»Es ist nur töricht«, knurrte Geroen. Er funkelte Maianthe an.
Sie reckte das Kinn vor. »Ich kann Tiefenau unmöglich im Stich lassen. Ich bleibe.«
Geroens Miene wurde noch finsterer. »Kommt gar nicht in Frage!«
»Ich möchte nicht … Ich werde …«, hob Maianthe an.
»Ihre Majestät hat jedenfalls angeordnet, dass Ihr Euch bereitmacht; und wenn sie sagt, dass Ihr geht, dann geht Ihr«, stellte Geroen mit erkennbarer Zufriedenheit fest. »Informiert lieber Eure Mädchen. Ich sage in den Stallungen Bescheid, dass man Pferde für Euch und Eure Frauen bereitstellt.«
Tan tippte mit dem Gehstock sachte auf den Fußboden und wartete einen Schlag lang ab, bis er sowohl Geroens als auch Maianthes Aufmerksamkeit hatte. Dann hob er freundlich hervor: »Hauptmann Geroen, Ihr seid Befehlshaber der Tiefenauer Wache und damit ein Dienstmann der Dame Maianthe. Ihr seid nicht ihr fürstlicher Vetter und könnt ihr somit nicht befehlen, nach Eurem Belieben zu kommen und zu gehen.«
Geroen wurde rot. Er öffnete den Mund, klappte ihn dann aber wieder zu, ohne etwas erwidert zu haben.
Maianthe hatte etwas von ihrer gewohnten Haltung zurückgewonnen und erklärte entschlossen: »Meine Mädchen dürfen gewiss nach Norden gehen, Hauptmann, aber Königin Naithewird sich ihren Befehl an mich ganz gewiss noch einmal überlegen.« Sie war wütend. Zorn und Entschlossenheit blitzten aus ihren Augen. »Ich bin mir ganz sicher, dass es Ihrer Majestät Unbehagen bereiten würde, der Herrin des Deltas Befehle zu erteilen. Ich werde weder das Delta noch Tiefenau noch dieses Haus verlassen, Geroen, nicht aufgrund Eures Drängens und nicht auf Befehl der Königin hin. Ich bin überzeugt, dass mein Vetter dem beipflichten würde.«
Geroen betrachtete die junge Frau wortlos und warf dann Tan einen grimmigen Blick zu. »Nun, Ihr werdet mir, da bin ich mir sicher, nicht solche Schwierigkeiten bereiten; also denkt lieber darüber nach, in welche Richtung Ihr davonzureiten gedenkt!«, blaffte er und marschierte hinaus, ehe einer der beiden einen Einwand erheben konnte.
Tan schüttelte den Kopf und bemühte sich, nicht zu lachen. »Das ist ein ungewöhnlich resoluter Mann, denke ich mir. Mich erstaunt nicht im Mindesten, dass er nur langsam befördert und im Allgemeinen mit den härtesten Dienstpflichten belastet wurde … Nachthauptmann der Gefängniswache, also wirklich! Er ist wohl kaum ein Höfling, nicht wahr?«
Maianthe blickte Tan lange an. Dann lachte sie. »Ihr mögt ihn, nicht wahr? Dabei hätte ich erwartet, dass Ihr Männer bevorzugt, die, nun ja, subtil und undurchschaubar sind und Gedichte zitieren …«
Tan lächelte zurück. »Ah, nun … Ich mag jemanden, der sich seiner Meinung und seiner Pflicht gewiss ist, und es ist neu für mich, jemandem zu begegnen, der überhaupt nicht groß darüber nachdenkt, wie er seine Worte hübsch arrangiert. Man kann seine Frustration verstehen.«
Die junge Frau schüttelte den Kopf und stellte beharrlich noch einmal fest: »Ja, aber Bertaud würde völlig verstehen, warum ich nicht fortgehen kann.« Ihre Stimme klang jedoch unsicher.
Tan fragte sich, wer ihr beigebracht hatte, an sich selbst zu zweifeln. Ihm schien, dass sie das gar nicht nötig hatte. Es überraschte ihn keineswegs, dass Maianthe später auf dem Vorhof der Stallungen entschieden alle Einladungen und Ermahnungen und schließlich sogar Befehle zum Verlassen des Deltas ausschlug, während ringsherum im Licht von Fackeln und Lampen Pferde und Gepäck in Ordnung gebracht wurden.
Königin Naithe hielt Maianthes Dickköpfigkeit für äußerst ärgerlich und schrecklich gefährlich und möglicherweise sogar für rechtswidrig, aber Tiefenau war, wie Maianthe sich nicht scheute hervorzuheben, nicht irgendeine beliebige Farabiander Stadt. Weder die Königin noch der Hauptmann ihrer Wache
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