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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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nicht statt. Ein Einzelbett und ein Schrank aus Holz machten die einfache und nüchterne Einrichtung aus. Auf eine wohnliche Ecke hatte Fleischmann auch im zweiten, etwas größeren Raum verzichtet. Sessel oder Sofa fanden ebenso keinen Platz wie ein Couchtisch. Fleischmann schien ausschließlich an seinem Schreibtisch zu leben, was für ihn offenbar bedeutete, ständig in seiner Einsamkeit zu schreiben. Bilder oder Fotos waren in der nüchternen Wohnung ebenso wenig vorhanden wie Grünzeug oder Blumen. Ich hatte den Eindruck, als habe der Bewohner dieser einfachen Unterkunft gründlich Hausputz gemacht, bevor er verreist war.
     
     
    „Fleischmann hat seine Umgebung auf das Überschaubare reduziert“, kommentierte Böhnke kopfschüttelnd, der ebenso wie ich lange Zeit als stummer Beobachter durch die Räume gegangen war. Er griff nach dem Dutzend Aktenordnern und legte sie auf einem kleinen Tisch ab. „Dann wollen wir einmal“, schlug er mir vor, „mal sehen, ob wir was finden.“ Er setzte sich auf einen Holzstuhl, den er aus der Küche mitgebracht hatte, und klappte einen Ordner auf.
    Bald schon mussten wir uns eingestehen, dass nichts Aufregendes in den Ordnern zu finden war. Sie enthielten die Korrespondenz mit dem Buchverlag, Abrechnungen über den Verkauf der Werke und einige Verträge über Lesungen bei Volkshochschulen oder in Buchhandlungen. Erstaunt war ich über die durchweg positiven Kritiken, die in Presseberichten über Fleischmann und dessen Romane geäußert worden waren. Gewissenhaft hatte der Autor die Artikel als Kopien mit Datum und Medium versehen und abgeheftet.
    Reich werden konnte der Schriftsteller mit seiner Schreiberei allem Anschein nach nicht. Die Honorare reichten gerade einmal aus, um die geringe Miete für die Wohnung zu bezahlen und ein bescheidenes Leben zu führen, so bewertete ich jedenfalls die Situation.
    Zu wenig zum Leben, aber zu viel zum Sterben, fiel mir spontan ein. „Ob alle Autoren so leben müssen?“, fragte ich Böhnke, der mich staunend ansah.
    „Alle wahrscheinlich nicht, aber bestimmt die meisten, denke ich.“ Er habe von einem Bekannten, einem Buchhändler, gehört, gerade einmal ein gutes Dutzend Autoren würde in Deutschland mit ihren Büchern ihren Lebensunterhalt verdienen. Die große Masse der Bücherschreiber könne nicht ausschließlich von den Einnahmen leben, mutmaßte der Kommissar. Das wären gerade einmal fünf Prozent. Die meisten Schreiber hätten noch einen anständigen Beruf oder eine Lehrerin als Ehefrau, meinte er humorvoll. „Und was war mit Fleischmann?“
    Böhnke lächelte. „Der fällt wahrscheinlich in die letztere Kategorie.“ Das könne sich allenfalls ändern, wenn die Romane verfilmt würden. „Mein Buchhändler will gehört haben, dass es entsprechende Überlegungen gibt.“
     
     
    Ich hielt die Behauptung für ein Gerücht, zumal sich in den Unterlagen von Fleischmann keine Hinweise darauf fanden.
    Aber jetzt war es ohnehin zu spät. Jetzt war Fleischmann tot; gestorben nicht wegen der brotlosen Schreiberei, sondern vermutlich wegen des Realitätsbezugs seiner Werke. Es war wohl langsam wirklich an der Zeit, dass ich mir seine so gelobten Bücher auch einmal zu Gemüte führte, nahm ich mir vor. Damit würde ich im Nachhinein auch noch eine Bitte der Lektorin erfüllen. Unsere Suche in den Ordnern und den Regalen ähnelte einem ungeordneten Stochern im Nebel. Es kam nichts dabei heraus, das uns auch nur andeutungsweise Hinweise auf Fleischmanns gewaltsamen Tod geben konnte.
     
     
    Der Kommissar und ich sahen uns fragend an. Was war zu tun? „Da bleibt uns nur der Blick in das Innenleben des Computers“, meinte ich entschlossen, setzte mich vor das Gerät an den Schreibtisch, nahm die Schutzhüllen ab und drückte energisch den Startknopf.
    Wie nicht anders zu erwarten, hatte Fleischmann auf der Festplatte seines elektronischen Freundes ebenfalls gründlich aufgeräumt. Die Dateien waren ordentlich registriert. Der Autor hatte offensichtlich über alle seine Aktivitäten Protokoll geführt. So hatte er unter anderem für die letzten Jahre aufgelistet, wann er wohin gefahren war und hatte die Kosten bereits in der Gewinnberechnung für das Finanzamt notiert. Alle Erscheinungsdaten seiner Bücher, die verkauften Auflagen pro Jahr; seine daraus erzielten Honorare waren gespeichert.
    Mich wunderte der bescheidene Anteil, der pro verkauftem Buch an den Autor floss. Es waren gerade einmal eine Mark und zwanzig, bei einem

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