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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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ungefähr zu dem Zeitpunkt geschrieben haben, an dem er mit seiner Lektorin telefoniert hatte.
     
     
    „Metzger“, sagte ich laut in den leeren Raum hinein. Unter diesem Begriff fand ich vielleicht das neueste Fleischmann-Manuskript. Gespannt starrte ich auf den Bildschirm. Und in der Tat öffnete sich auf der Datei nach dem Anklicken des Begriffes ein weiteres Bild. Ich hatte einen Romanentwurf geöffnet, der nach den Angaben auf der Bearbeitungsleiste rund vierhundert Seiten umfasste. Ich pustete durch, dann gab ich dem Computer den Befehl, das Manuskript einmal auszudrucken. Sollte sich Böhnke selbst eine Kopie davon machen, sagte ich mir, es reichte, wenn er von mir den Brief bekam.
    Erstaunlich schnell führte der leistungsstarke Computer den Druckbefehl aus. Als die ersten, eng beschriebenen Seiten gedruckt wurden, konnte ich bereits weiter mit den Dateien arbeiten. Aber ich fand nichts Besonderes. Der zeitlich lang zurückliegenden Korrespondenz mit anderen Verlagen entnahm ich, dass Fleischmann dort ohne Erfolg seine Manuskripte angeboten hatte. Er hatte trotz verschiedener Ablehnungen den Verlagen stets höflich in einem Abschlussbrief für die Mühe gedankt, die sie sich seinetwegen gemacht hatten. Es war schon erstaunlich, dass ein Autor wie Fleischmann, der von Leder, Wagner und auch Böhnke viel gelobt und von den Medien gefeiert wurde, von vielen, auch renommierten Verlagen als nicht geeignet bezeichnet worden war. Manch einer hatte das abwertende Urteil schmeichelnd mit der Behauptung umschrieben, das von Fleischmann angebotene Werk sei zwar bemerkenswert, passe aber bedauerlicherweise nicht in das Verlagskonzept.
    Endlich hatte der Drucker seine langwierige Arbeit beendet. Ich kramte den dicken Papierstapel zusammen, suchte vergeblich nach einer Hülle und nahm mir kurz entschlossen einen leeren Aktenordner, in den ich nach dem Lochen das Manuskript einlegte.
    Eine Überschrift hatte das umfangreiche Werk nicht. Lediglich ein Stichwort prangte oben auf der ersten der vielen, dicht beschriebenen Seiten. ,Glückspilz’ hatte Fleischmann geschrieben.
    ,Verkehrte Welt’, dachte ich mir. Fleischmann war alles andere als ein Glückspilz; anders als ich, der das Glück hatte, zu leben und den Computer geknackt zu haben.
    Der Blick auf die Computeruhr ließ mich erschrecken. Es war schon weit nach Mittag. Die Zeit war davongerast. Ich beeilte mich mit dem Aufräumen. Ich wollte schnell nach Hause, Böhnke anrufen, ihn über meine Entdeckung informieren und anschließend das Manuskript lesen.
    Vielleicht fand ich darin eine Erklärung für den Mord an Fleischmann.
     
     
    Auf der Straße stutzte ich wieder für einen Moment. Es war wegen des roten Golfs in der Parkreihe, der mir auffiel. Er kam mir eigentümlich vor, als hätte ich ihn schon mehr als einmal gesehen. Aber bevor ich nahe genug an das Fahrzeug herangekommen war, hatte der Fahrer den Wagen aus der Parkbucht hinausbugsiert und war davongefahren. Ich konnte nur noch erkennen, dass die Kombination auf dem Nummernschild mit einem „DN“ begann.

„Stille Post“
     
     
     
    In der Kanzlei wurde ich von unserem Rezeptionsdrachen, Fräulein Schmitz, abgefangen. „Sie sollen Kommissar Böhnke und einen Redakteur namens Sümmerling bei der AZ anrufen“, gab sie mir aufgeregt mit auf den Weg, als ich durch die Flure eilte.
    ‚Warum war ich nicht sofort nach Hause gegangen, wie ich zuerst beabsichtigt hatte?’, stöhnte ich vor mich hin, jetzt hatte ich statt meiner Ruhe wieder meinen speziellen Zeitungsfreund am Hals.
     
     
    Mit Erstaunen stellte ich fest, dass meine Sekretärin ebenso wenig am Platz war wie mein Chef.
    Herr Doktor und Frau Sabine seien auf Mandantenbesuch, klärte mich die ältliche Empfangsdame auf, sie kämen erst spät wieder. Ich solle nicht auf sie warten, ließen mir die beiden ausrichten.
    Um mich nicht länger mit dem hektischen Fräulein Schmitz abgeben zu müssen, gab ich ihr den Auftrag, die vierhundert Seiten von Fleischmanns Werk für Böhnke zu kopieren. Damit hatte ich wenigstens diesen nervenden Störenfried sinnvoll beschäftigt.
     
     
    Seufzend ließ ich mich im Sessel nieder und griff nach dem Telefon. Mechanisch tippte ich die Nummer des Journalisten ein und wartete geduldig, bis er endlich nach langem Klingeln abnahm. „Sie sind nie da, wenn etwas geschieht, Herr Grundler“, lästerte Sümmerling, froh darüber, mir endlich einmal eine Retourkutsche verpassen zu können.
    Ich ließ sie mir gerne

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