Der Grenzgänger
beteiligt war, reicht das wahrscheinlich nicht aus, um einen Auslieferungsantrag zu stellen.“ Gerstenkorn sei mit allen Rurwassern gewaschen. „Der ist dreimal chemisch gereinigt.“
Ich schüttelte verständnislos den Kopf, während ich meinen leeren Teller beiseite schob. „Was ist mit Gerstenkorns Freund, dem Stadtdirektor? Sie können ihn doch ausquetschen.“
Erneut lächelte der Kommissar schwach. „Der wurde vor ein paar Wochen vorzeitig wegen einer läppischen Bagatelle in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er soll eine Spesenabrechnung nicht richtig ausgefüllt haben. Fahrten nach Jülich waren angeblich einige Kilometer zu lang. Und wissen Sie, wo er jetzt lebt?“
Die Frage war so eindeutig, dass ich sie am liebsten gar nicht erst beantwortet hätte. „Wahrscheinlich auf der gleichen Insel, auf der auch Gerstenkorn sein Domizil hat“, sagte ich.
So sei es, bestätigte Küpper bedauernd und prostete mir mit einem gequälten Grinsen zu.
„Was können Sie überhaupt noch tun?“, fragte ich ihn skeptisch. Der Bernhardiner setzte sein Bierglas ab, seufzte und wischte sich über den Mund. „Ehrlich gesagt, nicht besonders viel. Wie gesagt, wir überprüfen die Bewegungen auf dem Konto und gewinnen dadurch vielleicht Anhaltspunkte, die uns helfen, Mitwisser oder Handlanger ausfindig zu machen.“ Er könne zwar diese Ergebnisse nicht unmittelbar verwenden, aber sie könnten den Weg weisen, wie die Delikte aufzuklären seien, erläuterte der Kommissar. Küpper schüttelte sich und betrachtete Böhnke, der interessiert unserem Zwiegespräch zugehört hatte. „So weit der Stand der Dinge bei uns an der Rur, meine Herren“, sagte er und stützte sich mit den Händen auf der Tischkante ab. Anscheinend wollte er damit das Zeichen zum Aufbruch geben.
Prompt machte Böhnke daraufhin Anstalten, sich zu erheben. Aber damit war ich nicht einverstanden. „Das größte Problem haben Sie bedauerlicherweise nicht angesprochen, Herr Küpper“, sagte ich gedehnt, während ich versonnen mit meinem Wasserglas spielte.
Der Bernhardiner sah mich betrübt an. Wahrscheinlich wusste er, was ich wissen wollte.
„Wenn Sie durch mich an die Kontonummer herangekommen sind, dann war sie Ihnen zuvor nicht bekannt. Richtig?“
Küpper nickte bejahend.
„Ich fand sie, weil ich sie in Fleischmanns noch nicht veröffentlichten Roman ausfindig gemacht habe. Richtig?“
Wieder nickte der Bernhardiner.
„Woher kannte Fleischmann diese Nummer, frage ich Sie und mich. Wenn Sie sie nicht kannten, konnte auch Ihr Maulwurf sie nicht kennen. Oder?“
Küpper musterte mich lange mit gerunzelter Stirn, ehe er zu einer Erwiderung ansetzte: „Sie haben nicht unbedingt Recht, Herr Grundler. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder hat Fleischmann sie an anderen Stellen recherchiert oder unser Maulwurf kennt sie aus anderen Quellen außerhalb des Ermittlungsapparates.“
„Etwa, weil er selbst mit Gerstenkorn und Co. gemauschelt hat?“ Küppers Antwort stellte mich nicht zufrieden. Das sei eine denkbare Möglichkeit, bestätigte mir der Bernhardiner, „aber wahrscheinlich, so nehme ich an, hat Fleischmann die Nummer recherchiert.“
„Merkwürdig“, platzte ich dazwischen. „Wieso kann ein Privatmann mehr Informationen haben als die ermittelnde Polizei?“
Küpper sah in meiner Frage keineswegs eine Attacke auf seine Berufsehre. „Wer weiß, mit welchen Mitteln der Schriftsteller gearbeitet hat? Wir können nicht immer so wie wir wollen.“ Er sah mich mit trüben Augen an. „Schon die Überprüfung der Kontonummer ist ein Vorgang, der sich am Rande der Legalität abspielt und das Ergebnis des Nachvollzugs der Kontobewegungen darf offiziell auch nicht für die weiteren Ermittlungen verwendet werden“, wiederholte er sich. „Manchmal ist unser Rechtsstaat verdammt kompliziert.“
Und helfe windige Gestalten wie Gerstenkorn, ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen, ohne dass man ihnen etwas anhaben könnte, fuhr ich verärgert fort.
Das wolle er nicht näher kommentieren, meinte Küpper postwendend. Wieder betrachtete er mich mit seinem Hundeblick. „Wir könnten Gerstenkorn nur dann an den Hammelbeinen packen, wenn er tatsächlich etwas mit dem Mord an Fleischmann zu tun hat.“
„Hat er denn?“
„Woher soll ich das wissen?“, seufzte er. „Ich weiß nur, dass er ein Motiv hätte. Er hätte Fleischmann umbringen können oder umbringen lassen können, weil er befürchtete, seine zweifelhaften Machenschaften
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