Der Grenzgänger
Kommissar. Es kann sich nur um Gerstenkorn handeln. Oder sollte ausgerechnet ich mich etwa irren?“
Der Bernhardiner musste herzhaft lachen. „Sie irren sich doch höchst selten, Herr Grundler. Es geht in der Tat um Gerstenkorn.“
„Haben Sie ihn verhaftet? Ist er flüchtig? Oder ist der gute Mann etwa über jedweden Zweifel erhaben?“ Schnell stellte ich meine Fragen. Mir stand nicht der Sinn nach langer Konversation mit inhaltsleeren Floskeln. Ich hatte Hunger und wollte essen. „Immer langsam, junger Freund“, bremste mich Böhnke. Immer der Reihe nach, meinte er besonnen. „Wir sind im Prinzip mit unseren Ermittlungen in den Fällen, in denen Gerstenkorn verdächtigt wurde, in gewisser Weise beteiligt gewesen zu sein, genauso weit, wie es Fleischmann in seinen Romanen geschildert hat“, drückte er sich sehr umständlich und vorsichtig aus. „Allerdings hat der Autor sich dann seine eigenen Lösungen konstruiert.“ Insofern hätte der Schriftsteller stets die Ermittlungsergebnisse, zum Teil auch verfremdet, in seinen Krimis verarbeitet. „Die Ergebnisse, die er von Ihrem Maulwurf erhalten hat“, fiel ich ihm eilig ins Wort, was mir einen bösen Blick von Böhnke einhandelte.
Wir schwiegen uns eine Zeit lang an, während wir die adrette Serviererin beobachteten, die uns auf großen Tellern das Essen auftischte.
„Die Ergebnisse, die Fleischmann von einem Informanten erhalten haben könnte, der über die Arbeit der Ermittlungsbehörden auf welche Art auch immer unterrichtet war“, antwortete Küpper endlich bedächtig, während er Böhnke erstaunt anschaute. ,Woher weiß der Grundler von einem Maulwurf?’, sollte sein Blick wohl fragen, vermutete ich. Andererseits fragte ich ihn nicht, woher er von dem Maulwurf wusste, wenn nicht von Böhnke. Aber dann wandte Küpper sich wieder mir zu. An meinem Wissen konnte er ohnehin nichts ändern.
„Sie haben durch Ihre Entdeckung den entscheidenden Hinweis gegeben, der uns weiterhilft, die vermeintlichen kriminellen Handlungen im Rathaus aufzuklären, Herr Grundler“, sagte er schließlich durchaus anerkennend.
„Die Nummer!“, platzte ich heraus. Die 7.791.978 war also doch eine Kontonummer gewesen.
„Eine verschlüsselte Kontonummer“, bestätigte der Bernhardiner kauend. Er schluckte. „Fleischmann hat die tatsächliche Kontonummer nach einem raffinierten System chiffriert. Wir haben es mit einem Computerprogramm geknackt. Er hat die erste Zahl um eins erhöht, die zweite um eins verringert, die dritte wiederum um zwei erhöht, die vierte um zwei verringert und so weiter. Der Rechner ist dahinter gekommen, nachdem wir bekannte Kontonummern verdächtiger Personen eingespeist haben.“
„Eine dieser Kontonummern gehört Gerstenkorn?“ Ich schob mir ein Stück Fleisch in den Mund und schaute Küpper kauend an.
„Eine dieser Nummern gehörte Gerstenkorn“, bestätigte er bedauernd.
Ich schluckte. „Wieso gehörte?“
„Weil Gerstenkorn das Konto vor wenigen Tagen aufgelöst hat“, antwortete der Bernhardiner. Die Polizei könne zwar über interne, nicht ganz astreine Wege die Bewegungen auf dem Konto nachvollziehen, mehr auch nicht. „Das Konto existiert jedenfalls nicht mehr.“
„Warum nicht? Was sagt Gerstenkorn dazu?“
Küpper grinste gequält. „Sie können ja versuchen, mit ihm zu sprechen. Uns gelingt es bedauerlicherweise nicht. Gerstenkorn ist uns durch die Lappen gegangen. Den werden wir wohl nicht mehr greifen.“ Er griff zu seinem Bierglas und trank. „Gerstenkorn hat plötzlich und für alle überraschend aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als hauptamtlicher Bürgermeister niedergelegt und ist tags drauf außer Landes geflogen“, sagte er beiläufig. „Anscheinend hatte er seinen Abgang detailliert vorbereitet.“
„Wohin ist er?“, wollte ich wissen.
„Gerstenkorn besitzt auf einer Insel im Mittelmeer ein Haus, in dem er immer schon seine Ferien verbracht hat. Jetzt wird er wohl dort sein Pensionärsdasein genießen“, antwortete Küpper kopfschüttelnd. „Geld genug hat er ja, auf dem Konto befand sich mehr als eine Million DM. Hinzu kommt noch die Pension aus seiner Rathaustätigkeit.“
„Können Sie ihn nicht mittels eines Haftbefehls zurückholen?“, fragte ich wenig hoffnungsvoll.
Der Bernhardiner verneinte bedauernd. „Weswegen? Wir haben ein paar Verdachtsmomente, mehr nicht. Selbst wenn wir durch die Kontobewegungen dahinter kommen könnten, dass er an den Mauscheleien im Rathaus
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